Auf dieser Seite findet sich eine Sammlung von Gerichtsentscheidungen zur Thematik der Computernutzung. Diese Zusammenstellung erfolgt im Zusammenhang mit der landesweiten IT-Ausbildung der Rechtsreferendare in Sachsen. Die dort kurz angesprochenen Probleme können hier etwas umfangreicher dargestellt werden.

OLG Dresden: § 3 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG LG Potsdam: Verantwortlichkeit für Links
LG München: CompuServe-Entscheidung LG Braunschweig: unverlangte E-Mail-Werbung
BGH: Zulässigkeit der Domain mitwohnzentrale.de OLG Dresden: Domain Kurt Biedenkopf
BVerfG: Schutz vor Mobilfunkanlagen BGH: Internetauktion
LG Hamburg: Anforderungen an Impressum im Internet OLG Köln: Beweisfragen Vertragsschluss Internet-Auktion
BVerG: Einspruchseinlegung mittels Computerfax BGH: Domain shell.de

 

OLG Dresden

Urteil vom 23.08.2001

Az.: 8 U 1535/01

Elektronische Bauteile wie RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien sind keine im Sinne des FernAbsG § 3 Abs 2 Nr. 1 aufgrund ihrer Beschaffenheit für eine Rücksendung nicht geeigneten Waren. Ein Ausschluss des Widerrufsrechtes nach dem Fernabsatzgesetz für diese Waren in AGB für Verbraucher verstößt gegen FernAbsG §§ 5 Abs 1, 3 Abs 2 Nr. 1 und ist daher unzulässig.

Sachverhalt:

Eine Dresdner Computerfirma, die im Internet u.a. Computerzubehör und elektronische Bauteile anbietet, hatte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Rückgaberecht für RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien unter Berufung auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 Fernabsatzgesetz ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht u.a. ausnahmsweise kein Widerrufsrecht für Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit für eine Rücksendung nicht geeignet sind. Gegen diese Klausel in den AGB ging die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gerichtlich vor. Ihrem auf Unterlassung der Verwendung der Klausel gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gab das Landgericht Leipzig in erster Instanz statt. Hiergegen richtete sich die Berufung der beklagten Computerfirma.

Entscheidungsgründe:

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden bestätigte die Entscheidung des Landgerichtes und wies die Berufung der Beklagten endgültig zurück.

Dem Verbraucher steht bei im Internet abgeschlossenen Kaufverträgen nach dem Fernabsatzgesetz prinzipiell ein unabdingbares Widerrufsrecht zu. Die in der angegriffenen Klausel genannten Produkte fallen nicht unter die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Fernabsatzgesetz, da die Sachen ihrer Beschaffenheit nach für eine Rücksendung ohne weiteres geeignet sind. Die das Widerrufsrecht insoweit ausschließende Klausel der Beklagten ist deshalb unwirksam.

Den Einwand der Beklagten, es würden immer wieder vertauschte oder beschädigte Bauteile zurückgesandt, greift nicht durch. Dem Verkäufer ist zuzumuten, die Waren nach Rückerhalt zu überprüfen. Einen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts rechtfertigen die hiermit verbundenen Schwierigkeiten ebenso wenig wie die potentielle Gefahr der Verseuchung der Software und Speichermedien mit Viren. Diese Produkte sind nach ihrer Rücksendung jedenfalls körperlich noch identisch vorhanden. Das Risiko des Wertverlustes der Ware durch deren Versendung - etwa durch mögliche Virenverseuchung - hat im Fernabsatzhandel nach der derzeitigen Rechtslage allein der Verkäufer zu tragen.

Ob sich daran künftig durch das geplante Schuldrechtsmodernisierungsgesetz etwas ändern wird - etwa durch die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Einführung einer Haftung des Kunden für jeden gebrauchsbedingten Wertverlust der Sache unabhängig vom Verschulden - bleibt abzuwarten. Der Verkäufer kann aber bereits jetzt bestimmte Produkte wie Software durch Versiegelung schützen, sowie bei nachweislich vom Kunden verschuldeten Beschädigungen gegen diesen vorgehen.

   

LG München

Urteil vom 17. 11. 1999

Az.: 20 Ns 465 Js 173158/95

1. Der Geschäftsführer des deutschen Tochterunternehmens eines amerikanischen Zugangsproviders kann nicht Mittäter des Verbreitens harter Pornographie im Internet sein, wenn er der amerikanischen Muttergesellschaft völlig untergeordnet ist und ihm deshalb die Tatherrschaft fehlt.
2. Der Tatbeitrag des Geschäftsführers kann nur dann als Beihilfe durch Unterlassen strafbar sein, wenn er ursächlich für den Taterfolg war und den Geschäftsführer eine Garantenpflicht traf.
3. Hat der Geschäftsführer sämtliche Foren an die Muttergesellschaft weitergeleitet und um Sperrung und Löschung gebeten, scheidet eine Strafbarkeit auch mangels Vorsatzes aus.
4. Dem Dienstanbieter, der fremde Inhalte lediglich, ohne auf sie Einfluss nehmen zu können, zum Abrufnutzer durchleitet, obliegt es nach TDG § 5 Abs 3 nicht, für diese Inhalte einzutreten.
5. Dem Geschäftsführer kann kein fahrlässiger Verstoß gegen GjS § 21 (juris: JgefSchrG) vorgeworfen werden, weil es eine Überspannung der Sorgfaltspflicht wäre, von ihm zu verlangen, nicht nur den Bundesanzeiger, sondern auch die sehr zahlreichen, auf den Servern abgelegten Spiele ständig zu kontrollieren, um den Zugang zu solchen Spielen zu verhindern.

Sachverhalt

Das AG München hat am 28.5.1998 den Angeklagten wegen Verbreitung pornografischer Schriften in 13 rechtlich zusammentreffenden Fällen, gem. §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3, 13, 14 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB; §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 3, 21 Abs. 1 Nr. 2 GjS zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dem Angeklagten lag zur Last, als Geschäftsführer der Firma CompuServe Information Services GmbH (nachfolgend: CompuServe Deutschland) gemeinschaftlich mit der Firma CompuServe Incorporated (nachfolgend: CompuServe USA) den Kunden von CompuServe USA in Deutschland die auf dem Newsserver von CompuServe USA zur Nutzung bereitgehaltenen gewalt-, kinder- und tierpornografischen Darstellungen zugänglich gemacht zu haben. Die Berufungen der StA und des Angeklagten hatten Erfolg und führten zum Freispruch.

Aus den Gründen:

Der Angeklagte war aus tatsächlichen, aber auch aus rechtlichen Gründen freizusprechen. 

Für das Gericht ist nicht glaubwürdig, dass CompuServe USA harte Pornografie auch nach dem 13.2.1996 sperren wollte.

Zwar haben die Sachverständigen bekundet, dass das Erscheinen solcher Bilder tatsächlich auf technische Defekte zurückgeführt werden könnte. Entweder kann dies auf einen Fehler bei der Hardware zurückgeführt werden oder auf ein sog. „Cross-Posting“; andererseits steht auf Grund der Erklärung von CompuServe USA v. 16.2.1996 und der Erklärung Nr. 6/1996 fest, dass CompuServe USA an der Veröffentlichung solcher Bilder, die harte Pornografie enthalten haben, interessiert gewesen sei. Zum einen hat CompuServe USA bei Sperrung erklärt, dass die Sperrung solange aufrechterhalten bleibt, bis die Ermittlungen der deutschen Behörden abgeschlossen sind. Es ist aber klar, dass die Sperrung von harter Pornografie nicht vom Ermittlungsergebnis abhängen kann, die Verbreitung und Veröffentlichung von harter Pornografie bleibt immer strafbar. Außerdem beziehen sich die Erklärungen ausschließlich darauf, dass Kindersicherungen eingebaut werden. Die Verbreitung und Veröffentlichung von harter Pornografie ist jedoch generell strafbar.

Aufgrund der Feststellungen des AG München kann das Gericht mittäterschaftliches Handeln des Angeklagten nicht feststellen. Mittäter kann der Angeklagte schon deswegen nicht gewesen sein, weil er bzw. CompuServe Deutschland der Muttergesellschaft völlig untergeordnet gewesen ist. Insoweit fehlte auch bei dem Angeklagten die sog. Tatherrschaft. Die Tätigkeit des Angeklagten kann allenfalls als Beihilfe qualifiziert werden. Als Beihilfehandlung des Angeklagten käme in Betracht, dass er nach dem 13.2.1996 nicht die komplette Sperrung der Verbindung zur Muttergesellschaft veranlasst hat. Ferner, dass er nach diesem Zeitpunkt nicht erneut bei der Muttergesellschaft vorstellig geworden ist und erneut um Sperrung bzw. Löschung der harten Pornografie gebeten hat. Die zweite Möglichkeit entfällt allerdings schon, weil ein solches Unterlassen jedenfalls nicht ursächlich gewesen ist. Angesichts der eindeutigen Erklärung der Muttergesellschaft wäre eine nochmalige Bitte der Angeklagten um Sperrung bzw. Lösung mit Sicherheit erfolglos gewesen.

Bezüglich des weiteren Unterlassens, nämlich weitere Aufrechterhaltung der Verbindung zur Muttergesellschaft wäre die Beihilfe des Angeklagten nur dann strafrechtlich von Bedeutung, wenn er eine Garantiepflicht zum Handeln gehabt hätte. Eine solche Garantiepflicht es jedoch im vorliegenden Fall nicht begründbar.

Die Strafbarkeit des Angeklagten scheidet bzgl. der Vergehen nach §  148 StGB auch mangels Vorsatzes aus. Selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass dem Angeklagten. bekannt war, dass nach dem 13.2.1996 harte Pornografie verbreitet wird, kann ihm nicht nachgewiesen werden, dass er dies tatsächlich gewollt hat. Er hat sämtliche Foren, auch die von der Polizei übergebenen 282 Foren an die Muttergesellschaft weitergeleitet und um Sperrung und Löschung gebeten. Bereits diese Tatsache beweist, dass der Angeklagte diesbezüglich mit dem Handeln der Muttergesellschaft nicht einverstanden war. Auch aus den Erklärungen des Angeklagten vom 2.2.1996 und aus dem Schreiben des Rechtsanwalts vom 21.2.1996, gerichtet an die Staatsanwaltschaft München I, können gegenteilige Schlussfolgerungen nicht gezogen werden. Der Angeklagte hat lediglich wiederholt, was die Muttergesellschaft vorgehabt hat, weiter reichte sein Einfluss nicht. Überdies enthält diesbezüglich das Schreiben des Rechtsanwalts den Zusatz, dass mehr könne der Angeklagte als eine Jugendsicherung einbauen zu lassen, nicht bewirken.

Der Angeklagte war aber auch auf Grund des § 5 TDG freizusprechen. Entgegen der herrschenden Auffassung (vgl. hierzu Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, 1999) vertritt das Gericht die Auffassung, dass die Bestimmungen des TDG nicht eine Filterfunktion haben. Eine solche Filterfunktion ist dem deutschen Strafrecht fremd. Selbst dann, wenn man die Überlegungen des Gesetzgebers hierbei berücksichtigt ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber durch ein Nebengesetz den klassischen Aufbau des Strafrechts: Tatbestand - Rechtswidrigkeit - Schuld habe ändern wollen. Im Übrigen kann der Wille des Gesetzgebers auch nicht entscheidend sein. Die objektive Theorie, dem sich das Gericht anschließt, berücksichtigt nur in geringem Maß den Willen des Gesetzgebers, vielmehr ist die Auslegung nach dem Wortlaut des Gesetzes vorzunehmen. Die Bestimmungen im TDG enthalten jedoch die Begriffe wie „Kenntnis“ und „Verantwortlichkeit“, diese Begriffe deuten eindeutig darauf hin, dass die Bestimmungen lediglich bei der Schuldfrage angewendet werden können.

Nach § 5 Abs. 3 TDG ist ein Dienstanbieter für fremde Inhalte, zu denen er lediglich den Zugang zur Nutzung vermittelt, nicht verantwortlich. Dem Dienstanbieter, der für fremde Inhalte lediglich, ohne auf sie Einfluss nehmen zu können, zum Abrufnutzer durchleitet, obliegt es nicht, für diese Inhalte einzutreten (vgl. BT-Drs. 137385). Diese weitgehendste Verantwortlichkeitsbegrenzung kommt im vorliegenden Fall eindeutig dem Angeklagten zugute. Die Bedenken des AG diesbezüglich, wonach § 5 Abs. 3 TDG hier nicht Anwendung findet, weil CompuServe Deutschland keine eigenen Kunden hatte, kann das Gericht nicht teilen. Es ist im Gesetz nirgendwo niedergelegt, dass § 5 Abs. 3 TDG nur angewendet werden kann, wenn der Zugangsprovider eigene Kunden hat. Es kann keinen Unterschied ausmachen, ob der Zugangsprovider eigene Kunden hat oder nicht. Mit oder ohne Kunden übt der Zugangsprovider dieselbe Tätigkeit aus, daher kann die rechtliche Lage hiervon nicht abhängig gemacht werden.

Bezüglich des fahrlässigen Verstoßes gegen die Bestimmung des § 21 GjS ist das Gericht der Auffassung, dass dem Angeklagten nicht der Vorwurf einer Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Es wäre eine Überspannung der Sorgfaltspflicht, wenn man von dem Angeklagten verlangen würde, dass er nicht nur den Bundesanzeiger, sondern auch die sehr zahlreichen, mehr als 1000 Spiele ständig kontrolliert, um den Zugang zu solchen Spielen zu verhindern. I.ü. kommt dem Angeklagten auch in diesem Fall die Bestimmung des § 5 Abs. 3 TDG zugute.

CR 2000, 117-119 (red. Leitsatz und Gründe)
NJW 2000, 1051-1052 (red. Leitsatz und Gründe)
MMR 2000, 171-172 (red. Leitsatz und Gründe)
ZUM 2000, 247-250 (red. Leitsatz und Gründe)
K&R 2000, 193-195 (red. Leitsatz und Gründe)
DuD 2000, 365-368 (red. Leitsatz und Gründe)
RDV 2000, 120-121 (red. Leitsatz und Gründe)

   

LG Potsdam

Urteil vom 08.07.1999

Az.: 3 O 317/99

Derjenige, der einen Internet-Wettbewerb veranstaltet und hierfür eine Internet-Seite zur Verfügung stellt, auf der die Teilnehmer wie auf einem "Markt der Meinungen" Äußerungen und Stellungnahmen (hier: zum Thema "Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit) veröffentlichen können, haftet nicht für den Inhalt der durch ihn verbreiteten Erklärungen, wenn er sich deutlich, ernsthaft und mehrfach von den Inhalten der Äußerungen distanziert.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Kl.) ist Mitglied des Landesvorstandes der brandenburgischen "(Partei)" und Mitglied der "(Partei)" Fraktion des deutschen Bundestages. Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Bekl.) ist das durch die Landesregierung vertretene Land Brandenburg. Die Landesregierung ist Initiatorin eines von ihr so bezeichneten "Handlungskonzepts gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit" mit dem Titel "Tolerantes Brandenburg", welches die Förderung von Meinungsvielfalt und Toleranz gegenüber Ansichten anderer Menschen zum Ziel hat. Im Rahmen dieses Handlungskonzeptes wurde auf Veranlassung und mit finanzieller Förderung der Landesregierung in der Zeit vom 18. 12. 1998 bis 11. 6. 1999 ein Internet-Wettbewerb veranstaltet, bei dem Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre eingeladen waren, zu den Themen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Stellung zu nehmen. Die Preisverleihung für die durch eine unabhängige Jury prämierten Beiträge sollte am 3. 7. 1999 erfolgen. Die Wettbewerbsbeiträge werden auch über diesen Tag hinaus bis auf weiteres im Internet verbleiben. Projektträger des Internet-Wettbewerbes war die Landesarbeitsgemeinschaft e.V., einem gemeinsamen Projekt der Brandenburgischen Zentrale für Politische Bildung und dem Medienpädagogischen Zentrum. Die Landesregierung stellte für den Wettbewerb eine Internet-Seite unter der Adresse "www..." zur Verfügung, die über die Homepage der Bekl.www.brandenburg.de zu erreichen war. Die Bekl. machte dabei an verschiedenen Stellen ihrer Homepage darauf aufmerksam, dass sie keine Verantwortung für die in dem Wettbewerb befindlichen Beiträge übernehme. So heißt es nach Aufruf der Internetseite der Veranstalter und Mausklick der Link "Galerie" - rechtes Symbol der Kopfzeile zunächst: "Wir weisen nochmals darauf hin, dass die Wettbewerbsbeiträge die Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer widerspiegeln und nicht die der denkmal@12-Veranstalter. Dass Teilnehmerinnen und Teilnehmern jedoch eigene - auch kontroverse - Standpunkte zum Thema Toleranz formulieren, ist erklärtes Ziel des Wettbewerbs. Wir prüfen, ob Beiträge Aussagen enthalten, die strafrechts- bzw. jugendschutzrelevant sein könnten. Liegt kein Befund vor, sollte es der Jury vorbehalten bleiben, über die Qualität der Beiträge zu entscheiden". Im Rahmen des Wettbewerbs wurde ein Beitrag zweier Jugendlicher mit der Überschrift "Ausländerfeindlichkeit und Rassismus: "(Partei)" besetzt faschistische Themen Nation & Europa, 2/99". im Internet veröffentlicht. Die Namen der beiden Autoren werden im Impressum genannt. Dort sind auch Photos von ihnen zu sehen. Die Kl. beantragt im Wege einer einstweiligen Verfügung, die Bekl. hat es zu unterlassen, auf der von ihr herausgegebenen Internet-Webseite: (...) den Bericht der Verfasser (X u. Y) mit der Überschrift "Ausländerfeindlichkeit und Rassismus: "(Partei)" besetzt faschistische Themen Nation und Europa 2/99" abzubilden und zu veröffentlichen, wobei lediglich die Abbildung der vorgenannten Überschrift zur Unterlassung begehrt wird.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag hatte keinen Erfolg. Der Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Unterlassung gem.  §§ 1004, 823 II BGB i.V. mit  §§ 185f. StGB zu. Ein Anspruch der Kl. scheitert zumindest an der fehlenden Verantwortlichkeit der Bekl. für den Inhalt der beanstandeten Überschrift. Maßgeblich ist, ob die Bekl. einen Tatbeitrag geleistet hat, der einen Unterlassungsanspruch gegen sie rechtfertigen könnte. Dies ist nach Auffassung der Kammer zu verneinen.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des BGH auch eine Haftung des Medienbetreibers für fremde Inhalte in Frage kommen, die durch dessen Medium transportiert werden (vgl. BGHZ 132, 13 = NJW 1996, 1131 [1132] = LM H. 6/1996 § 823 [Ah] BGB Nr. 123). Jedoch hat der BGH in seiner gefestigten Rechtsprechung zwei Ausnahmen entwickelt: Zum einen lehnt der BGH eine Haftung des Medienbetreibers dann ab, wenn ein Medium gewissermaßen nur als "Markt" der verschiedenen Ansichten und Richtungen in Erscheinung tritt. Dann widerspräche es dem Wesen des Mediums und seiner Funktion, es neben oder gar anstelle des eigentlichen Urhebers der Äußerung in Anspruch zu nehmen" (BGH, NJW 1976, 1198 [1199] = LM § 823 [Ah] BGB Nr. 55 zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch unrichtige Darstellung im Fernsehen). Diese Rechtsprechung hat der BGH später fortentwickelt, indem er ausführte, dass eine Haftung des Verbreiters jedenfalls dann in Betracht komme, wenn "das Verbreiten nicht schlicht Teil einer Dokumentation des Meinungsstands ist, in welcher gleichsam wie auf einem "Markt der Meinungen" - Äußerungen und Stellungnahmen verschiedener Seiten zusammen- und gegenübergestellt werden" (BGHZ 132, 13 = NJW 1996, 1131 [1132] = LM H. 6/1996 § 823 [Ah] BGB Nr. 123 unter Verweis auf BGH, NJW 1970, 187 = LM § 823 [Ai] BGB Nr. 37).
Als zusätzliches Kriterium für einen Haftungsausschluss verlangt der BGH die deutliche Distanzierung des Medienbetreibers von den Inhalten der durch ihn verbreiteten Erklärungen. So hat er entschieden, dass eine Haftung in Betracht kommt, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung desjenigen, der die Äußerung wiedergibt, fehlt (BGHZ 132, 13 = NJW 1996, 1131 [1132] = LM H. 6/1996 § 823 [Ah] BGB Nr. 123). Diese für andere Medien vom BGH entwickelte Rechtsprechung ist nach Ansicht der Kammer auch auf das Medium Internet übertragbar. Gründe, die eine Differenzierung rechtfertigen würden, sieht die Kammer nicht (vgl. auch LG Berlin, NJW-RR 1998, 1634). Die vorstehenden Maßstäbe zur Verbreiterhaftung bestimmten auch das Denken des Gesetzgebers bei der Schaffung des  § 5 TDG. Diesem war die Gefahr einer zu weitreichenden Haftung der Internetbetreiber bekannt (vgl. Spindler, NJW 1997, 3193 [3196]). Die Einschränkung der Verbreiterhaftung findet in  § 5 III TDG ihren Ausdruck. Dort ist bestimmt, dass Anbieter von Telediensten, wozu auch das Angebot zur Nutzung des Internets zählt ( § 2 II Nr. 3 TDG), nicht für fremde Inhalte verantwortlich sind, zu denen sie - wie hier die Bekl. - lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln.
Eine Haftung der Bekl. scheidet danach aus. Den Initiatoren des Wettbewerbs ging es - wie sie auch im Internet ausreichend deutlich gemacht haben - darum, der Meinungsvielfalt die Möglichkeit zur Darstellung zu geben und ein Forum zur Verfügung zu stellen, in dem eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsradikalismus vorgenommen werden konnte. Dabei sollten erkennbar auch kontroverse Meinungen veröffentlicht werden können. Eine bestimmte politische Ausrichtung war mit dem Wettbewerb gerade nicht vorgegeben. Die dem Wettbewerbsveranstalter von der Bekl. zur Verfügung gestellte Internetseite stellte sich ausschließlich als "Markt der Meinungen" dar. Auch hat die Bekl. dem Differenzierungsgebot dadurch genügt, dass sie an mehreren Stellen
 deutlich darauf hingewiesen hat, dass die Beiträge nicht die Meinung der Landesregierung, sondern der Autoren darstellten. In dieser Weise hatte sich auch die zuständige Ministerin gegenüber der Kl. geäußert. Gegen diese Grundsätze kann die von der Kl. angeführte gesteigerte Sorgfaltspflicht der Landesregierung nicht durchschlagen. Allein die Tatsache, dass die Bekl. den streitigen Wettbewerbsbeitrag auf strafrechts- oder jugendschutzrelevante Inhalte geprüft hat, kann nach Auffassung der Kammer nicht zu einer Aufweichung der oben dargestellten Haftungsbeschränkungen führen. Da es somit bereits an einem haftungsbegründenden Tatbestand fehlt, brauchte die Frage, ob es sich bei der Überschrift um eine noch von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützte Äußerung handelt, nicht mehr entschieden zu werden.

K&R 1999, 428-429 (red. Leitsatz und Gründe)
MMR 1999, 739-740 (red. Leitsatz und Gründe)
CR 2000, 123-124 (red. Leitsatz und Gründe)
ZUM-RD 2000, 35-37 (red. Leitsatz und Gründe)
NJW-RR 2000, 981-982 (red. Leitsatz und Gründe)
DuD 2000, 488-489 (Leitsatz und Gründe)

   

LG Braunschweig

Urteil vom 11.08.1999

Az.: 22 O 1683/99

1. Im Anschluss an die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ist darauf abzustellen, dass die Übersendung einer E-Mail-Werbung nur dann unzulässig ist, wenn der Empfänger einer Werbung eine solche offenkundig abgelehnt hat.

2. Die Kontaktofferte im Internet mit Homepage ist als solche nicht wettbewerbswidrig. Hat der Empfänger einer E-Mail-Werbung zuvor über die Homepage eine Anfrage mit Eintragung seiner E-Mail-Adresse durchgeführt, ist es ihm zumutbar, die E-Mail durch einfachen Tastendruck mit dem Austragen-Vermerk zurückzusenden.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht gerechtfertigt und zwar zu dem Anfangsbegehren und darüber hinaus nicht in der erweiterten Fassung des zuletzt geltend gemachten Begehrens. Der Verfügungsbeschluss ist dementsprechend aufzuheben.

1. Als Empfänger einer E-Mail- Werbung kann ein Mitbewerber einen individuellen Anspruch gegen einen werbenden Wettbewerber geltend machen unter den Voraussetzungen des § 1 UWG.

Soweit der Verfügungskläger den Antrag auf eine Unterlassungspflicht hinsichtlich eines jeweiligen Empfängers einer E-Mail ausgerichtet hat, ist das Begehren allerdings dem Umfang nach - zumal in einem einstweiligen Verfügungsbegehren - problematisch. Auf der Grundlage eines Unterlassungsanspruchs nach § 1 UWG i.V.m. § 13 Abs. 2 UWG ist an einen, dem Personenkreis so weit gefassten Anspruch nur zu denken, wenn es um E-Mails des Verfügungsbeklagten an Gewerbetreibende geht.

a) Zu E-Mails an Privatpersonen ist § 1 UWG nicht zu entnehmen, dass der Verfügungskläger im Verhältnis zum Verfügungsbeklagten und bei deren Wettbewerbsverhältnis in eigenen, wahrnehmbaren Rechten verletzt sein soll. Ob und welche Ansprüche Privatpersonen geltend machen können oder Gewerbetreibende als Empfänger einer E-Mail, die außerhalb eines unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis mit dem Verfügungsbeklagten stehen, bedarf dazu keiner Entscheidung. Jedenfalls wäre es Verbänden oder Kammern nach § 13 Abs. 2 UWG möglich, dazu die Verletzung der Vorschriften des UWG zu verfolgen. Auch hinsichtlich Gewerbetreibenden als Empfängern setzt sich das Begehren des Verfügungsklägers indessen jedenfalls deswegen nicht durch, weil nach Ansicht der Kammer seitens des Verfügungsklägers die Ausgangsvoraussetzung für jeden denkbaren Anspruch - eine fehlende Anforderung oder Aufforderung seitens der E-Mail-Adresse des Verfügungsklägers im nachstehenden Sinn - nicht glaubhaft gemacht ist. Zumindest ist ein stillschweigendes Einverständnis zugrundezulegen nach dem Sachstand, wie er sich nach dem Ergebnis des Termins am 11.8.1999 darstellt.

2. Bei der E-Mail- Werbung bedarf es stets der eindeutig kennzeichnenden Absenderangabe und einer klaren Betreffzeile, die auf den Inhalt als Werbung hinweist. Dazu macht der Verfügungskläger indessen nichts geltend. Im übrigen entsprechen die E-Mails, die Anlass des Verfügungsverfahrens sind (Bl. 13 -16), diesen Anforderungen aus §§1,3 UWG.

Die Absenderangabe ist - jeweils - mit "info" gekennzeichnet. Dies entspricht den guten Gepflogenheiten bei reinen Informationen (mit oder ohne Werbung). Der zusätzlichen Kennzeichnung mit "W" oder dergleichen bedarf es nicht. Die Betreffzeile ist klar und deutlich (Tageszulassung- dennoch volle Neuwagegarantie informiert - Händler haftet..., Bl. 15; AutoKonzept.de informiert: EU Altautoregelung, Bl. 16).

Dass der Verfügungskläger wegen seiner spezifischen Organisation seines Geschäftsbetriebs sich alle E-Mails ausdrucken und von einem Mitarbeiter in unklaren Fällen einer Zuordnung zu bestimmten Geschäftsvorgängen im Betrieb des Verfügungsklägers persönlich vorlegen lässt. beeinflusst die Beurteilung nach § 1 UWG nicht. Seinen Geschäftsbetrieb muss der Verfügungskläger so organisieren, wie es ihm am zweckmäßigsten erscheint. Wenn indessen dadurch Misshelligkeiten im Ablauf auftreten (weil der Verfügungskläger eine Vielzahl von Papieren vorgelegt bekommt, die für ihn völlig unwichtig sind,) ist daraus nichts gegen den Verfügungsbeklagten herzuleiten.

Die Verbindung von Information und Werbung ist nicht Angriffsgegenstand.

Die wiederholte Übermittlung am 21.6.1999 16:04 und 16:19 (Bl. 13, 14) ist nicht Angriffsgegenstand.

3. Die unaufgeforderte Zusendung von E-Mails wird teilweise als Verstoß gegen § 1 UWG, § 823 BGB bewertet werden (LG Berlin Beschluss vom 2.4.1998, 16 0 210/98).

Indessen ist im Anschluss an die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABI. EG Nr. L 144 v. 4.6.1997,19 ff) darauf abzustellen« dass die Übersendung einer E-Mail-Werbung nur dann unzulässig ist, wenn der Empfänger einer Werbung eine solche offenkundig abgelehnt hat. Nur dann ist bei dem sich verstärkt durchsetzenden Medium für denjenigen, der sich selbst diesem Medium zugewandt hat (weil er andernfalls auf diesem Wege gar nicht zu erreichen ist), dem Kern nach von einer "unaufgeforderten" (weiteren) Zusendung zu sprechen. Der Sache nach ist die unaufgeforderte Werbung in Missachtung der Ablehnung sittenwidrig.

a) Entgegen der Annahme des LG Berlin im zitierten Beschluss vom 2.4.1998 kommt es nicht darauf an, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen die gesamte E-Mail gelesen (und ihr Inhalt als Werbung erkannt) werden kann. Bei klarer Absender - und Betreffangabe kann unschwer die "Annahme verweigert" werden (durch Abruf der Löschfunktion). Dies genügt. Dies nimmt nur eine Zeit von Sekundenbruchteilen in Anspruch. Dies verursacht auch kaum Kosten, jedenfalls bei gängigen Möglichkeiten und üblichen Providerbedingungen. Wer sich eines Providers bedient, der die Übernahme aller E-Mails auf den eigenen Computer verlangt - mit entsprechenden zusätzlichen Kosten, Belastungen und Kapazitätsproblemen -, ist wegen der eigenen Wahl des Providers belastet, nicht wegen der Werbemaßnahme. Dagegen stehen heutzutage ausreichend Provider zur Wahl, bei deren Einschaltung weder Speicherkapazitätsgrenzen noch Risiken zu Datenverlusten oder Rücksendungen - ernsthaft - zu befürchten sind und bei denen auch Zeit und Geld des Empfängers kaum nennenswert in Anspruch genommen werden.

Jedenfalls spricht dafür alles bzw. hat der Verfügungsbeklagte jedenfalls entsprechendes ausreichend glaubhaft gemacht und wird entsprechendes durch die eigenen Kenntnisse seitens eines Kammermitglieds so bestätigt, dass etwas anderes (das Gegenteil) im Sinne und zur Stützung des Begehrens des Verfügungsklägers nicht als glaubhaft gemacht anzusehen ist.

b) Die Kontaktofferte (im Internet mit Homepage) ist als solche nicht wettbewerbswidrig.

Dazu hat der Verfügungsbeklagte insbesondere durch Vorlage der Kopie aus der Datenbank (Anlage zum Protokoll) ausreichend glaubhaft gemacht, dass in seinen Verfügungsbereich (über die Homepage) ein Aufruf oder eine Abfrage mit Eintragungen erfolgt ist, die auf den Bereich des Verfügungsklägers als Anfragenden mit seiner E-Mail Adresse hinweisen.

Infolge der automatischen Verknüpfung mit der Anfrage muss die E-Mail Adresse des Verfügungsklägers sodann eine Nachricht erhalten haben, wie sie ebenfalls glaubhaft gemacht ist (Bl. 40). Dazu wäre es dem Verfügungskläger unter geringstem Zeit- und Kostenaufwand möglich gewesen, durch einfachen Tastendruck die Mail mit dem Austragenvermerk zurücksenden. Dies war dem Verfügungskläger nur wegen des von ihm gewählten Providers und vor allem wegen der Organisation seines Betriebs (E-Mails immer erst ausdrucken zu lassen und vorzulegen) nicht möglich.

Soweit der Verfügungskläger davon gesprochen hat, dass ihn eine entsprechende Nachricht nicht erreicht hat, genügt seine Sachdarstellung zur Glaubhaftmachung insgesamt gesehen nicht.

Es spricht (nach der im Termin vorgelegten Kopie) alles dafür, dass unter der E-Mail Adresse des Verfügungsklägers die Anfrage, der Abruf gestartet worden ist. Soweit dazu der Verfügungskläger geäußert hat, er habe dies nicht getan, kann dies unterstellt werden. Soweit er eine entsprechende Erklärung für seine Mitarbeiter abgegeben hat, ist zugrundzulegen, dass seine Mitarbeiter ihm entsprechendes gesagt haben. Damit ist aber nicht glaubhaft gemacht, dass doch einer seiner Mitarbeiter die Anfrage unter seiner Adresse gestartet hat und auch die Antwort (Anlage zum Protokoll) erhalten, aber nicht an den Verfügungskläger weitergegeben hat. Dies würde sich u.U. - nur - in einem Hauptsachverfahren bei Zeugeneinvernahme aller Mitarbeiter klären lassen können. Für das Verfügungsverfahren jedenfalls ist damit nicht von der Sachannahme des Verfügungsklägers auszugehen, sondern von dem (mit der Anlage zum Protokoll belegten) Annahme, dass der Erstabruf unter der E-Mail Adresse des Verfügungsklägers erfolgt ist und dies sodann zu den beanstandeten Werbe-Mails geführt hat, nachdem der - für sich gesehen zumutbare - Austragen-Vermerk nicht angeschlossen worden ist.

Dann aber fehlt es eben an einer "nicht verlangten" Zusendung. Dann ist sogar von einer ausdrücklichen Aufforderung, jedenfalls von einem stillschweigenden Einverständnis auszugehen.

4. Ob und welche Ansprüche der Verfügungskläger möglicherweise gegen den Inhaber der Domain (wolfsburg.de) hat - und zwar auf Sicherung gegen die Weiterleitung "unbestellter", nicht angeforderter Informationen (Infos)- kann dahingestellt bleiben. Etwaige solche Ansprüche stehen jedenfalls etwaigen Ansprüchen gegen den Verfügungsbeklagten nicht entgegen.

Fundstelle
MMR 2000, 50-51 (red. Leitsatz und Gründe)
NJW-CoR 2000, 235-236 (red. Leitsatz und Gründe)
ZUM-RD 2000, 150-152 (red. Leitsatz und Gründe)
NJW-RR 2000, 924-925 (Leitsatz und Gründe

   

BGH 1. Zivilsenat

17. Mai 2001

Az: I ZR 216/99

Mitwohnzentrale.de

1. Die Verwendung eines beschreibenden Begriffs als Domain-Name ist nicht generell wettbewerbswidrig.

2. Im Einzelfall kann in der Verwendung eines beschreibenden Begriffs als Domain-Name eine irreführende Alleinstellungsbehauptung liegen

Tatbestand:

Der Kläger ist ein Verein, in dem sich mehr als 40 sogenannte Mitwohnzentralen aus verschiedenen deutschen Städten unter der Bezeichnung "Verband der Mitwohnzentralen e.V." zusammengeschlossen haben. Geschäftsgegenstand dieser Mitwohnzentralen ist die Kurzzeitvermietung von Wohnraum. Im Internet sind der Kläger und seine Mitgliedsvereine unter der Bezeichnung "www.HomeCompany.de" zu finden.
Der Beklagte zu 2 ist ein konkurrierender Verband, in dem sich in Deutschland mehr als 25 andere Mitwohnzentralen unter der Bezeichnung "Ring Europäischer Mitwohnzentralen e.V." organisiert haben. Im Internet tritt der Beklagte zu 2 unter dem Domain-Namen "www.Mitwohnzentrale.de" auf. Auf der Homepage sind die Mitglieder des Beklagten zu 2 nach Städten geordnet mit Telefon- und Faxnummern sowie zum Teil mit E-Mail-Adressen aufgeführt. Einige der Mitglieder verfügen über eine eigene Homepage für ihre örtliche Mitwohnzentrale, die über Verknüpfungen direkt von der Internetseite des Beklagten zu 2 aufgerufen werden kann. Der Beklagte zu 1, der in H. "Die Mitwohnzentrale" betreibt, ist Mitglied des Beklagten zu 2 und zugleich sein Vorsitzender.
Der Kläger ist der Ansicht, den Beklagten sei es verwehrt, unter dem Domain-Namen "Mitwohnzentrale.de" im Internet aufzutreten, weil Gattungsbegriffe und Branchenbezeichnungen auch im Internet freizuhalten seien. Der Begriff "Mitwohnzentrale" habe sich als übliche Branchenbezeichnung für die Kurzzeitvermietung von Wohnraum im Verkehr durchgesetzt. Eine erhebliche Zahl von Interessenten versuche, sich das maßgebliche Angebot durch Direkteingabe des Branchenbegriffs als Internetadresse zu erschließen. Die Verwendung des Gattungsbegriffes "Mitwohnzentrale" als Domain-Bezeichnung führe daher zu einem sittenwidrigen Kundenfang durch eine einseitige Kanalisierung der Kundenströme auf die Homepage der Beklagten. Deshalb seien die Beklagten verpflichtet, sich unterscheidungskräftiger Zusätze zu bedienen. Diese Rechtsfolge ergebe sich nicht nur aus wettbewerbsrechtlichen Erwägungen, sondern folge auch aus der gebotenen analogen Anwendung markenrechtlicher Vorschriften. Die Beklagten seien auch aus namensrechtlichen Gründen zur Unterlassung verpflichtet. Die Bezeichnung "Mitwohnzentrale" sei für ihn, den Kläger, ein Namensbestandteil, den er aufgrund des Verhaltens der Beklagten im Internet nicht nutzen könne. Schließlich liege in der Verwendung der Bezeichnung "Mitwohnzentrale.de" auch eine irreführende Alleinstellungswerbung.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken unter der alleinigen Domain "www.Mitwohnzentrale.de" oder "Mitwohnzentrale.de" ohne unterscheidungskräftigen Zusatz im Internet aufzutreten. Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Zu einer wettbewerbswidrigen Kanalisierung von Kundenströmen komme es nicht. Die Benutzer des Internet bedienten sich - jedenfalls dann, wenn es sich nicht um eingängige Abkürzungen oder bekannte Marken, sondern um Gattungsbegriffe handele - sogenannter Suchmaschinen, um sich das vorhandene Angebot zu erschließen. Dabei werde der Kläger gerade nicht benachteiligt, denn er sei bei einer beispielhaften Suche sogar häufiger als sie und vor dem Beklagten zu 2 genannt worden. An einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung des Klägers fehle es im übrigen schon deshalb, weil es ihm unbenommen sei, sich seinerseits entweder mit dem identischen Begriff unter einer anderen sogenannten First-Level-Domain (z.B. ".com") oder mit einer leicht abgewandelten Bezeichnung (z.B. mit dem Plural "Mitwohnzentralen") unter derselben First-Level-Domain registrieren zu lassen.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen (OLG Hamburg CR 1999, 779 = MMR 2000, 40 = K&R 2000, 190 = OLG-Rep 2000, 81).
Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat in der Verwendung der Internet-Domain-Bezeichnung "Mitwohnzentrale.de" ohne unterscheidungskräftige Zusätze eine nach § 1 UWG wettbewerbswidrige Behinderung des Klägers gesehen, zu deren Unterlassung die Beklagten verpflichtet seien. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die Verwendung der angegriffenen Domain-Bezeichnung führe zu einer unlauteren Absatzbehinderung des Klägers durch ein Abfangen potentieller Kunden, die sich im Internet das Leistungsangebot von Mitwohnzentralen ohne detaillierte Kenntnis der konkreten Anbieter erschließen wollten. Diese Interessenten gelangten durch Eingabe der Gattungsbezeichnung zufällig auf die Homepage der Beklagten mit der Folge, dass nach anderen Wettbewerbern nicht mehr gesucht werde und ein Leistungsvergleich unterbleibe. Der Begriff "Mitwohnzentrale" beschreibe nicht eine konkrete Einrichtung, sondern sei als Gattungs- oder Branchenbezeichnung eingeführt. Er stelle - im markenrechtlichen Sinne - eine rein beschreibende, von Haus aus nicht schutzfähige Gattungsbezeichnung ohne Unterscheidungskraft dar. Die Verwendung einer solchen Gattungsbezeichnung als Domain-Name führe aufgrund der Suchgewohnheiten der Internetnutzer zu einer erheblichen Kanalisierung der Kundenströme in Richtung auf die Homepage der Beklagten und könne eine nachhaltige Beeinträchtigung des Wettbewerbs zur Folge haben. Zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Internetnutzer suche den Zugang zu Informationen im Internet nicht mittels einer Suchmaschine, sondern über die Direkteingabe der Internetadresse. Der Interessent, der auf diese Weise durch Eingabe von "Mitwohnzentrale.de" fündig geworden sei, werde im Regelfall keinerlei Veranlassung haben, seine Suche nach weiteren Anbietern fortzusetzen, selbst wenn er erkenne, dass es sich bei dem Beklagten zu 2 um einen Verband handele, der möglicherweise nicht alle Mitwohnzentralen umfasse. Ein solches Nutzerverhalten machten sich die Beklagten in wettbewerbswidriger Weise zunutze. Dabei gründe sich der Vorwurf der wettbewerbswidrigen Kanalisierung der Kundenströme und der faktischen Monopolisierung des Gattungsbegriffs "Mitwohnzentrale" im Internet darauf, dass die Beklagten durch die unlautere Verwendung des eingeführten Branchenbegriffs den Interessenten einen möglichst einfachen Weg zu ihrer Homepage unter Ausschluss der Mitbewerber böten und anschließend die Bequemlichkeit wesentlicher Teile der Verbraucher ausnutzten, die sich nach dem Auffinden der gewünschten Information nicht mehr die Mühe machten, die Seite der Beklagten wieder zu verlassen, um nach Alternativangeboten zu suchen.
Die beabsichtigte Bindung der Kunden an die Beklagten werde dadurch erheblich verstärkt, dass direkt von der Homepage des Beklagten zu 2 aus Verknüpfungen mit den Mitgliedsunternehmen möglich seien. Hierdurch werde zusätzlich der Möglichkeit entgegengewirkt, dass Interessenten die Homepage zur Kontaktaufnahme mit einzelnen Anbietern verlassen müssten und dabei auch auf das Angebot von Wettbewerbern stoßen könnten.
Das unlautere Verhalten der Beklagten mache allerdings keinen vollständigen Verzicht auf die bisherige Domain-Bezeichnung erforderlich. Ausreichend zur Verhinderung künftiger Wettbewerbsverzerrungen und Behinderungen sei es vielmehr, dass die Beklagten ihren Domain-Namen durch hinreichend unterscheidungskräftige Zusätze ergänzten.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht in der Verwendung der Gattungsbezeichnung "Mitwohnzentrale" als Domain-Name eine wettbewerbswidrige Behinderung nach § 1 UWG gesehen.
a) Voraussetzung eines Behinderungswettbewerbs nach § 1 UWG ist stets eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber. Da eine solche Beeinträchtigung jedem Wettbewerb eigen ist, muss freilich noch ein weiteres Merkmal hinzutreten, damit von einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung und - eine allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung steht im Streitfall nicht zur Debatte - von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann: Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Ist eine solche Zweckrichtung nicht festzustellen, muss die Behinderung doch derart sein, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (Brandner/Bergmann in Großkomm.UWG, § 1 Rdn. A 3). Dies lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Wettbewerber beurteilen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 208; Köhler in Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 285), wobei sich die Bewertung an den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen orientieren muss.
b) Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der Beklagten eine unlautere Absatzbehinderung des Klägers durch ein "Abfangen" potentieller Kunden gesehen. Kunden, denen keine bestimmten Anbieter bekannt seien und die sich im Internet das Leistungsangebot von Mitwohnzentralen erschließen wollten, gelangten zufällig auf die Homepage der Beklagten und stellten sodann die Suche nach anderen Anbietern ohne weiteren Leistungsvergleich ein; die Beklagten machten sich solches Kundenverhalten auf unlautere Weise zunutze. Dieser Beurteilung kann nicht in allen Punkten beigetreten werden.
aa) Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, dass das Berufungsgericht von einem bestimmten Suchverhalten der Nutzer ausgegangen ist. Das Berufungsgericht hat unter Berufung auf die eigene Sachkunde der Senatsmitglieder angenommen, dass sich ein Teil der Nutzer bei der Suche nach Informationen und interessanten Angeboten im Internet nicht der sogenannten Suchmaschinen bedient, sondern den Zugang durch eine Direkteingabe der Internet-Adresse versucht. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Annahme des Berufungsgerichts wird im übrigen auch dadurch gestützt, dass an generischen Begriffen als Domain-Namen ein reges Interesse besteht, wie der Rechtsprechung der Instanzgerichte und dem Schrifttum entnommen werden kann. Dabei ist allgemein anerkannt, dass wegen des vom Berufungsgericht festgestellten Suchverhaltens der Einsatz von Gattungsbezeichnungen als Internet-Adressen zu einer gewissen Kanalisierung der Kundenströme führen kann (vgl. Kur, CR 1996, 325, 328, 330; Viefhues, MMR 2000, 334, 339; Bettinger, CR 1997, 273, 274).
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben sich die Beklagten jedoch den Vorteil, der sich aus dem Einsatz der Gattungsbezeichnung "Mitwohnzentrale" als Domain-Name ergibt, nicht in unlauterer Weise zunutze gemacht.
(1) Führt die Verwendung eines beschreibenden Begriffs als Domain-Name zu einer gewissen Kanalisierung, kann dies, bezogen auf den Streitfall, zweierlei Gründe haben: Einerseits ist es denkbar - und hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen -, dass sich ein Teil der Nutzer aus Bequemlichkeit mit dem gefundenen Angebot zufrieden gibt und keine Veranlassung hat, seine Suche nach weiteren Anbietern fortzusetzen. Andererseits mögen sich aber Nutzer auch deshalb von einer weiteren Suche abhalten lassen, weil sie meinen, die gefundene Website verschaffe ihnen Zugang zum gesamten Angebot. Dieser zweite Gesichtspunkt mag bei vielen als Domain-Name verwendeten Gattungsbegriffen keine Rolle spielen, weil der Verkehr - etwa bei "www.rechtsanwaelte.de" (vgl. LG München I NJW 2001, 2100), "www.autovermietung.com" (vgl. OLG München CR 2001, 463) oder "www.sauna.de" (vgl. OLG Hamm WRP 2001, 740) - von vornherein erkennt, dass die gefundene Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot repräsentiert (vgl. auch Renck, WRP 2000, 264, 267). Bei anderen Gattungsbezeichnungen kann sich dagegen der Eindruck einer Alleinstellung ergeben.
Bei der hier in Rede stehenden Bezeichnung "Mitwohnzentrale" mag eine derartige Irreführungsgefahr nahe liegen, sie muss jedoch im Rahmen der Prüfung des § 1 UWG außer Betracht bleiben. Denn der Gefahr der Irreführung können die Beklagten auch auf andere Weise als durch die beantragte Unterlassung entgegenwirken - etwa dadurch, dass sie auf ihrer Homepage einen Hinweis darauf anbringen, dass es außer dem Beklagten zu 2 den Kläger als weiteren Verband von Mitwohnzentralen gibt (dazu unten unter II.5.).
(2) Teilweise wird das Unlautere in der Verwendung eines Gattungsbegriffs als Domain-Name in einer unsachlichen Beeinflussung des Internet-Nutzers gesehen (vgl. Ubber, WRP 1997, 497, 510). Der Internet-Nutzer bedarf indessen - von der Gefahr einer Irreführung abgesehen - nicht des Schutzes gegen die Verwendung beschreibender Begriffe. Der Senat geht in seiner neueren Rechtsprechung zu den §§ 1 und 3 UWG von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers aus, der das fragliche Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt (BGH, Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621 = WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; Urt. v. 17.2.2000 - I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 821 = WRP 2000, 724 - Space Fidelity Peep-Show; vgl. auch Hoeren, EWiR 2000, 193). Erscheint einem solchen Internet-Nutzer - wie es das Berufungsgericht anschaulich geschildert hat - die Verwendung einer Suchmaschine lästig und gibt er statt dessen direkt einen Gattungsbegriff als Internet-Adresse ein, ist er sich im allgemeinen über die Nachteile dieser Suchmethode im klaren. Er ist sich bewusst, dass es auf Zufälle ankommen kann (etwa auf die Schreibweise mit oder ohne Binde- oder Unterstreichungsstrich), ob er auf diese Weise das gesuchte Angebot findet. Lädt der fragliche Gattungsbegriff (wie in den oben angeführten Beispielsfällen "www.rechtsanwaelte.de", "www.autovermietung.com" oder "www.sauna.de") ferner nicht zur Annahme einer Alleinstellung des auf diese Weise gefundenen Anbieters ein, erkennt der Internet-Nutzer auch, dass er mit dieser Suchmethode kein vollständiges Bild des Internet-Angebots erhält. Verzichtet er aus Bequemlichkeit auf eine weitere Suche, liegt darin keine unsachliche Beeinflussung (vgl. Sosnitza, K&R 2001, 111, 113; Ernst, MMR 2001, 181, 182).
(3) Die vom Berufungsgericht gezogene Parallele zur Fallgruppe des unlauteren Abfangens (potentieller) Kunden des Mitbewerbers besteht im Streitfall nicht. Wie bei der Behinderung im allgemeinen liegen auch beim sogenannten Abfangen von Kunden wettbewerbskonformes und wettbewerbsfeindliches Verhalten nahe beieinander. Denn es kann einem Anbieter nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich auch um die potentiellen Kunden seines Mitbewerbers bemüht. Nach der Rechtsprechung liegt ein unlauteres Abfangen von Kunden daher nur dann vor, wenn sich der Werbende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung des Kaufentschlusses aufzudrängen (BGH, Urt. v. 30.10.1962 - I ZR 128/61, GRUR 1963, 197, 200 f. = WRP 1963, 50 - Zahnprothesen-Pflegemittel; Urt. v. 27.2.1986 - I ZR 210/83, GRUR 1986, 547, 548 = WRP 1986, 379 - Handzettelwerbung; Urt. v. 15.1.1987 - I ZR 215/84, GRUR 1987, 532, 533 = WRP 1987, 606 - Zollabfertigung; Köhler in Köhler/Piper aaO § 1 Rdn. 290). Bei der Verwendung einer Gattungsbezeichnung als Domain-Name kann nicht von einer entsprechenden Situation ausgegangen werden. Denn das beanstandete Verhalten ist allein auf den eigenen Vorteil gerichtet, ohne dass auf bereits dem Wettbewerber zuzurechnende Kunden in unlauterer Weise eingewirkt würde (vgl. Sosnitza, K&R 2000, 209, 214; ders., K&R 2001, 111, 113). Es geht - wie das Landgericht Hamburg in der Entscheidung "lastminute.de" zutreffend betont hat (CR 1999, 617, 618) - nicht um ein Ablenken, sondern um ein Hinlenken von Kunden.
(4) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die Unlauterkeit im Streitfall auch nicht mit einem Freihaltebedürfnis an der Gattungsbezeichnung "Mitwohnzentrale" begründen (vgl. auch OLG Frankfurt GRUR 1997, 481 = WRP 1997, 341 - wirtschaft-online.de; Bettinger, CR 1997, 273, 274; Ernst, BB 1997, 1057, 1061; anders Kur, CR 1996, 325, 328).
Der vom Berufungsgericht herangezogene markenrechtliche Grundsatz, wonach beschreibende Angaben freizuhalten sind (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), dient dazu, die Entstehung von Ausschließlichkeitsrechten an produktbezogenen Angaben zu vermeiden (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 8 Rdn. 52). Im Streitfall besteht indessen keine Gefahr, dass die Möglichkeiten des Klägers, die von ihm bzw. seinen Mitgliedern angebotenen Dienstleistungen mit dem Begriff "Mitwohnzentrale" zu beschreiben, dadurch beschnitten werden, dass die Beklagten diesen Begriff als Domain-Name verwenden. Denn mit der Registrierung eines beschreibenden Begriffs als Domain-Bezeichnung werden keinerlei Rechte gegenüber Dritten begründet. Die Monopolisierung einer Gattungsbezeichnung, von der in der Diskussion immer wieder die Rede ist (vgl. LG München I NJW 2001, 2100 - rechtsanwaelte.de; LG Köln MMR 2001, 55, 56 - zwangsversteigerungen.de; Bettinger, CR 2000, 618, 619; a.A. Sosnitza, K&R 2001, 111, 113), kann den Beklagten ebensowenig zum Vorwurf gemacht werden wie eine unlautere Aneignung von Gemeingut (vgl. Viefhues, MMR 2000, 334, 339; ders. in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 6 Rdn. 219).
Auch dem Kläger geht es nicht darum, dass der Begriff "Mitwohnzentrale" in dem Sinne freigehalten wird, dass er von anderen als Domain-Name verwendet werden kann. Es liegt vielmehr in der Logik des geltend gemachten Anspruchs, dass der fragliche Begriff von niemandem als Domain-Bezeichnung verwendet werden soll. Würde diesem Begehren entsprochen, wäre die Suchfunktion zerstört, die der Gattungsbezeichnung als Domain-Namen gerade nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zukommen kann: Die Internet-Nutzer, die einen Gattungsbegriff direkt als Internet-Adresse eingeben in der Hoffnung, auf diese Weise ein sie interessierendes Angebot zu finden, würden enttäuscht und auf den vom Berufungsgericht als beschwerlich geschilderten Weg der Suchmaschinen verwiesen (vgl. dazu Sosnitza, K&R 2000, 209, 212 u. 216; ders., K&R 2001, 111, 113; ferner Härting, BB 2001, 491, 492, der davon spricht, Gattungsbezeichnungen als Domain-Namen seien benutzerfreundlich).
(5) Der Gesichtspunkt des Freihaltebedürfnisses könnte allenfalls in einer abgewandelten Form eine Rolle spielen: Beruft sich im Markenrecht ein Wettbewerber des Anmelders auf ein Freihaltebedürfnis, geht es ihm in der Regel nicht nur darum, das angemeldete Zeichen für den allgemeinen und damit auch für seinen Gebrauch freizuhalten. Dem Anmelder als Konkurrenten soll darüber hinaus kein Vorteil daraus erwachsen, dass er Ausschließlichkeitsrechte an einem Gattungsbegriff erwirbt und sich damit einen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern verschafft (vgl. hierzu auch unten unter II.2.). Es sind indessen keine rechtlichen Gesichtspunkte zu erkennen, weswegen der den Beklagten durch die Registrierung von "Mitwohnzentrale" zuteilgewordene Vorteil unlauter oder generell zu missbilligen wäre. Anders als die Vergabestellen in anderen Ländern (vgl. etwa zu den Niederlanden Sosnitza, K&R 2000, 209, 216; Bettinger, CR 2000, 618, 619) kennt die für die Registrierung von Domain-Namen mit dem Top-Level-Domain ".de" zuständige Einrichtung DENIC eG keine Beschränkung der Registrierbarkeit generischer Begriffe. Damit sind die Wettbewerber hinsichtlich der Registrierung von Gattungsbegriffen allein dem Gerechtigkeitsprinzip der Priorität unterworfen, wenn sich eine Unlauterkeit nicht aus anderen Gesichtspunkten herleiten lässt. Der Vorteil, der demjenigen gegenüber seinen Wettbewerbern zukommt, der als erster um die Registrierung eines beschreibenden Domain-Namens nachsucht, kann nicht als unlauter angesehen werden.
2. Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist auch unter anderen Gesichtspunkten nicht wettbewerbswidrig nach § 1 UWG.
Weil die Verwendung einer Gattungsbezeichnung als Domain-Name die Mitbewerber - hier den Kläger und seine Mitglieder - in ihren wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten nicht direkt behindert, sondern lediglich dem Verwender einen Vorteil verschafft, ist im Schrifttum auf Übereinstimmungen mit der Fallgruppe des Vorsprungs durch Rechtsbruch hingewiesen worden (Kur, CR 1996, 325, 330). Auch das Berufungsgericht stellt darauf ab, dass sich die Beklagten einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafft hätten. Bei dem Hinweis auf die Parallele zum Vorsprung durch Rechtsbruch wird nicht übersehen, dass der Verwender einer Gattungsbezeichnung als Domain-Name an sich gegen keine rechtlichen Bestimmungen verstößt, es an einem Rechtsbruch also gerade fehlt. Das Fehlen rechtlicher Regelungen über die Registrierung von Internet-Adressen stelle jedoch - so wird zu erwägen gegeben - eine bedauerliche, allein durch die Schnelligkeit der technischen Entwicklung zu erklärende Lücke dar, die nicht zur Störung des Wettbewerbs ausgenutzt werden dürfe (vgl. Kur aaO).
Der damit aufgeworfenen Frage, ob eine gesetzliche Regelung über die Registrierung von Domain-Namen oder - was ebenfalls denkbar wäre - entsprechend restriktive Registrierungsbedingungen und -richtlinien der DENIC wünschenswert wären, braucht im Streitfall jedoch nicht nachgegangen zu werden. Zu fragen ist allein, ob die - teilweise als solche empfundene - Lücke nachträglich durch Bejahung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs geschlossen werden kann. Dies ist zu verneinen. Im Vertrauen auf das Fehlen eines Verbots der Registrierung generischer Begriffe haben sich viele Unternehmen derartige Begriffe registrieren lassen und daran anknüpfend entsprechende Investitionen getätigt, die bei Bejahung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche gegen die Verwendung von Gattungsbezeichnungen als Domain-Namen gefährdet wären. Im übrigen entstünden eine Fülle von Abgrenzungsschwierigkeiten und Unsicherheiten, zumal auch hier zu fragen wäre, ob - entsprechend § 8 Abs. 3 MarkenG - die fehlende Unterscheidungskraft oder das Freihaltebedürfnis durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden könnte. Im Hinblick auf die über viele Jahre nicht in Zweifel gezogene Registrierungspraxis und die in vielen Bereichen üblich gewordene Verwendung generischer Begriffe als Domain-Namen haben daher auch Stimmen im Schrifttum, die sich zunächst gegen Gattungsbezeichnungen als Domain-Namen ausgesprochen hatten, Bedenken gegen die Bejahung eines entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Anspruchs geäußert (Kur, Internet und Kennzeichenrecht, in Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, S. 325, 366; Bettinger, CR 2000, 618, 620; vgl. ferner Viefhues in Hoeren/Sieber aaO Teil 6 Rdn. 219; skeptisch äußern sich auch Jaeger-Lenz in Lehmann <Hrsg.>, Rechtsgeschäfte im Netz - Electronic Commerce, 1999, S. 184, 199; Sosnitza, K&R 2000, 209, 215 f.; Völker/Weidert, WRP 1997, 652, 659; Strömer, K&R 2000, 192; Ernst, BB 1997, 1057, 1061; Poeck in Schwarz <Hrsg.>, Recht im Internet, Abschn. 4-2.2, S. 69; Hartmann, CR 1999, 782). Dabei ist unumstritten, dass sich die Verwendung eines Gattungsbegriffs im Einzelfall - nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung - als irreführend darstellen kann (§ 3 UWG; dazu Thiele/Rohling, MMR 2000, 591, 596; Biermann, WRP 1997, 1003 f.; Sosnitza, K&R 2000, 209, 215; Ubber, WRP 1997, 497, 510; Kur, CR 1996, 325, 329 f.; Wagner, ZHR 162 <1998>, 701, 718; Köhler in Köhler/Piper aaO § 1 Rdn. 328; Viefhues in Hoeren/Sieber aaO Teil 6 Rdn. 213 f.). Darüber hinaus kann sich die Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domain-Name dann als missbräuchlich erweisen, z.B. wenn der Anmelder die Verwendung des fraglichen Begriffs durch Dritte dadurch blockiert, dass er gleichzeitig andere Schreibweisen des registrierten Begriffs unter derselben Top-Level-Domain (hier "de") oder dieselbe Bezeichnung unter anderen Top-Level-Domains für sich registrieren lässt.
3. Für den im Schrifttum vorgeschlagenen Lösungsweg einer Teilhabe Dritter an generischen Domain-Namen (vgl. Viefhues, MMR 2000, 334, 339; ders. in Hoeren/Sieber aaO Teil 6 Rdn. 221; Renck, WRP 2000, 264, 268) fehlt es danach an einer rechtlichen Grundlage. Aber auch wenn gegen die Verwendung einer Gattungsbezeichnung als Domain-Name ein Unterlassungsanspruch bestünde, dem durch Einrichtung eines Portals für andere Anbieter begegnet werden könnte, wäre es dem Verwender der generischen Domain-Bezeichnung nicht zu verwehren, anderen Anbietern die Möglichkeit eines Hinweises und Verweises auf ihr Angebot nur gegen Entgelt zu eröffnen (vgl. OLG Braunschweig MMR 2000, 610 mit Anm. Abel). Damit bestünde die Gefahr, dass sich der Streit um die Behinderung als Streit über das angemessene Entgelt fortsetzt.
4. Ein Anspruch des Klägers aus § 12 BGB scheidet aus, weil der Kläger durch die Domain-Bezeichnung der Beklagten in seinem Namensrecht nicht beeinträchtigt wird.
5. Dagegen kommt im Streitfall eine Irreführung nach § 3 UWG unter dem Gesichtspunkt einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung in Betracht. Denn es liegt nicht fern, dass Internet-Nutzer, die auf die Website der Beklagten im Internet stoßen, annehmen werden, dass es sich bei dem Beklagten zu 2 um den einzigen oder doch den größten Verband von Mitwohnzentralen handelt, und deswegen nach weiteren Angeboten nicht suchen werden. Das Berufungsgericht hat aus seiner Sicht folgerichtig hierzu keine Feststellungen getroffen. Das ist nachzuholen. Die Zurückverweisung ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil der Kläger mit seinem Antrag schlechthin das Auftreten der Beklagten unter der Domain-Bezeichnung "Mitwohnzentrale.de" ohne unterscheidungskräftigen Zusatz untersagt wissen möchte. Zwar kann der Kläger ein derart weitgehendes Verbot nicht beanspruchen. Das in Betracht kommende Verbot, den Domain-Namen "Mitwohnzentrale.de" zu verwenden, wenn nicht auf der Homepage der Beklagten darauf hingewiesen wird, dass es noch weitere, in anderen Verbänden zusammengeschlossene Mitwohnzentralen gibt, stellt aber ein Minus dar, das von dem weitergehenden Unterlassungsantrag umfasst ist.
III. Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil des Berufungsgerichts daher aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

   

OLG Dresden

28.11.2000

Az.: 14 U 2486/00

1. Die bloße Registrierung und Verwaltung eines Domain-Namens für einen Dritten durch die zuständige Registrierungsstelle stellt keinen Gebrauch des Namens und daher keine Namensverletzung dar.

2. Die Registrierungsstelle trifft keine generelle Prüfungspflicht hinsichtlich der Zulässigkeit einer Second-Level-Domain; sie haftet nur bei groben, unschwer zu erkennenden Rechtsverstößen oder bei Missachtung eines die Anmeldung oder Benutzung der Domain untersagenden rechtskräftigen vollstreckbaren Urteils.

3. Es besteht kein Anspruch gegenüber der Registrierungsstelle auf eine ohne konkret beabsichtigte Eigennutzung angestrebte Sperrung eines Domain-Namens; eine Blockierung ist nur in seltenen Ausnahmefällen dann gerechtfertigt, wenn jede Eintragung eines Dritten einen offensichtlichen Rechtsverstoß darstellt.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen. Die Beklagte zu 2. ist die neutrale Vergabestelle für Domain-Namen der Top-Level-Domain "de", bei der sich der Beklagte zu 1. die Internet-Adresse "Kurt-Biedenkopf.de" hat reservieren lassen. (...)

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das LG einen Unterlassungsanspruch abgelehnt. Mit seinem Antrag begehrt der Kläger, dem Internet den Domain-Namen "Kurt-Biedenkopf.de" zu entziehen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Sperrung des Domain-Namens im Internet, die Beklagte zu 2. hat seine Rechte nicht verletzt. Die Registrierung und Verwaltung der Internet-Domain ist keine Benutzung durch die Beklagte zu 2. Sie hat deshalb nicht das Namensrecht des Klägers, § 12 BGB (1.), auch nicht als Mittäter oder Gehilfe, § 830 Abs. 1, Abs. 2 BGB (2.), verletzt.

Die Beklagte zu 2. ist auch nicht Störer i.S.d. § 1004 BGB, ihr obliegt keine besondere Prüfung der Berechtigung des Domain-Anmelders.

Markenrechtliche Ansprüche, § 14 Abs. 2, Abs. 5 MarkenG, bestehen nicht, der Kläger ist nicht Markenrechtsinhaber; wettbewerbsrechtliche Ansprüche, §§ 1, 3 UWG, scheitern, ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs fehlt.

Die Internet-Domain "Kurt-Biedenkopf.de" ist von § 12 BGB geschützt. Die Beklagte zu 2. verletzt dieses Namensrecht jedoch nicht, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat. § 12 BGB schützt im Interesse der Persönlichkeit den Namensträger vor jedem unbefugten Gebrauch seines Namens, wenn ein schutzwürdiges Interesse verletzt ist. Ein Namensgebrauch liegt in jeder Verwendung, die nach Auffassung eines rechtlich beachtlichen Teils des Verkehrs auf irgendeine persönliche Beziehung des Namensträgers zu der mit seinem Namen bezeichneten Person, Sache oder Leistung schließen lässt (vgl. nur Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rz. 199). Die bloße Registrierung (und Verwaltung) eines Domain-Namens für einen Dritten ist kein Gebrauch des Namens. Die Beklagte zu 2. tritt bei der Vergabe nach außen hin nicht in Erscheinung, sie schafft nur die technischen Voraussetzungen, damit Dritte den Domain-Namen benutzen können. Als "neutrale Registrierungsstelle" ordnet sie den vom Anmelder der Domain ausgesuchten Namen der Internet-Protokollnummer zu. Die Beklagte zu 2. vergibt weder Domain-Namen noch stellt sie sie zur Verfügung oder erfindet sie. Sie trägt lediglich im Nameserver ein, wer unter welchem Namen erreichbar sein will. Es erfolgt auch keine "Benutzung im Internet", der Domain-Name ist kein unter dieser Internet-Adresse abrufbares Angebot der Beklagten zu 2. Das Patent- und Markenamt wird durch die Eintragung nicht zum Benutzer der Marke; die Beklagte zu 2. wird durch Registrierung und Verwaltung nicht zum Nutzer der Domain. Auch wer im Registrieren und Verwalten den mittelbaren Gebrauch sieht (vergleichbar der sog. mittelbaren Marken- oder Patentverletzung, hierzu Starck in FS Piper, 1996, S. 627 ff. m.w.N.; Bettinger/Freytag, CR 1999, 28 [32 f.]), kommt nicht zu einer Namensverletzung. Mittelbarer Verletzer ist, wer einen ursächlichen Tatbeitrag zu einer unmittelbaren Verletzung eines Dritten leistet und die zur Vermeidung der Rechtsverletzung gebotene und zumutbaren Maßnahmen unterlässt (OLG Düsseldorf WRP 1996, 559 [562 f.] m.w.N.). Eine Verletzung setzt also voraus, dass es für die Vergabestelle geboten und zumutbar ist, derartige Verletzungen von Dritten zu verhindern, indem sie vor der Vergabe die Berechtigung des Anmelders zur Benutzung des Zeichens überprüft. Hierbei handelt es sich um dieselbe Frage wie bei der Prüfung einer möglichen Störerhaftung der Vergabestelle.

Die Beklagte zu 2. ist auch nicht Mittäter oder Gehilfe i.S.d. § 830 Abs. 1, Abs. 2 BGB einer vom Beklagten zu 1. begangenen Namensrechtsverletzung. Sie hat nicht vorsätzlich gehandelt. Der Beklagte zu 1. hat das Namensrecht des Klägers gem§ 12 BGB verletzt. Er ließ sich die Internet-Domain "Kurt-Biedenkopf.de" reservieren und bot sie dem Kläger zur entgeltlichen Nutzung an, ohne zum Gebrauch dieses Namens befugt zu sein. Ein Gestattungsvertrag mit dem Kläger oder einem anderen "Kurt Biedenkopf" liegt nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bereits im Registrierenlassen der Internet-Domain eine Verletzung des Namensrechts des Klägers liegt (dafür Ubber, WRP 1997, 497 [507]; dagegen Büching NJW 1997, 1886 [1888]; Völker/Weidert, WRP 1997, 652 [657]). Jedenfalls hat der Beklagte zu 1. die registrierte Internet-Domain "Kurt-Biedenkopf.de" dem Kläger zur Nutzung angeboten. Spätestens darin liegt eine Anmaßung des Namens des Klägers. Die "Eintragung" der Internet-Domain durch die Beklagte zu 2. ist kausal. Ohne die Registrierung wäre diese Namensrechtsverletzung nicht möglich gewesen. Die Beklagte zu 2. hat jedoch nicht vorsätzlich gehandelt. Die Mittäterschaft (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB) und die Beihilfe (§ 830 Abs. 2 BGB) setzen voraus, dass die Beklagte zu 2. vorsätzlich die vom Beklagten zu 1. begangene Namensrechtsverletzung unterstützen wollte (vgl. nur Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl., § 830 Rz. 2 ff.). Dies ist nicht der Fall. Der Beklagten zu 2. war nicht bekannt, dass der Anmelder unbefugt den Namen "Kurt Biedenkopf" benutzt. Zwar unterscheiden sich Domain-Name und Name des Anmelders, dies bedingt aber nicht zwangsläufig eine Rechtsverletzung. Die Anmeldung konnte mit Zustimmung und in Vertretung eines Dritten erfolgen; auch ein Gestattungsvertrag (Lizenzvertrag) ist denkbar. Der Anmelder hat versichert, keine Rechte Dritter zu verletzen (§ 13 Abs. 1 der AGB der Beklagten zu 2.). Selbst wenn die Beklagte zu 2. Rechtsverletzungen für möglich halten muss, ist dies nicht ausreichend. Dieses abstrakte Bewusstsein zwingt nicht zum Rückschluss auf einen bedingten Vorsatz. Es fehlt am Willenselement. Die Beklagte zu 2. will gerade keine Rechtsverletzungen Dritter. Ihr Verhalten ist vielmehr darauf gerichtet, mögliche Rechtsverletzungen zu vermeiden, indem der Anmelder die Berechtigung zur Nutzung des Domain-Namens versichert und für etwaige Schäden haftbar gemacht werden kann.

Die Beklagte zu 2. ist auch nicht Störer; es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch (analog § 1004 BGB) auf das Namensrecht übertragen werden kann. Der BGH nimmt in ständiger Rechtsprechung eine Störerhaftung entsprechend § 1004 BGB an, wenn jemand willentlich und adäquat kausal an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten mitwirkt. Der Verletzer muss dabei nicht schuldhaft handeln und keine Wettbewerbsförderungsabsicht haben. Als Mitwirkung genügt die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (nur BGH GRUR 1997, 315). Dabei ist darauf abzustellen, ob denkbare, Erfolg versprechende Maßnahmen von dem möglichen Störer nur mit unzumutbarem Aufwand zu treffen wären, ihm unzumutbare Prüfungspflichten auferlegt würden. Ein Wettbewerbsverstoß liegt danach nur vor, wenn zumutbare Maßnahmen unterlassen werden (nur BGH GRUR 1997, 909 [911). Diese wertende Einschränkung dient als Ausgleich, da durch das bloße Kausalitätserfordernis der Kreis der Störer/Verletzer erheblich ausgeweitet wird. Mit ihr hat der BGH in einer Reihe von Entscheidungen die Störerhaftung erheblich begrenzt. Diese Grundsätze gelten auch für den zu entscheidenden Fall. Die Beklagte zu 2. hat keine generelle Prüfungspflicht, sie haftet nur bei groben, unschwer zu erkennenden Verstößen (vgl. ebenso OLG Frankfurt WRP 2000, 214 [217] - "ambiente.de" [Anm. d. Red.: = CR 1999, 707]; LG Frankfurt WM 2000, 1750 [1751] [Anm. d. Red.: = CR 2001, 51]; Bettinger/Freytag, a.a.O., S. 43 ff.). Die Prüfung der Zulässigkeit einer Second-Level-Domain fällt in den Verantwortungsbereich des Anmelders; er ist der direkte "Nutznießer", der unter dieser Bezeichnung erreichbar ist. Die Beklagte zu 2. bietet nur das "Medium". Bei den der Beklagten zu 2. zukommenden Aufgaben ist eine (detaillierte) Prüfung der Zulässigkeit für sie faktisch ausgeschlossen. Sie hat den Internet-Anwendern kostengünstig, unbürokratisch, rasch und zuverlässig die Registrierung und Verwaltung des Domain-Systems zu bieten; dies nicht nur national, sondern über die Grenzen hinweg. Die Vergabe von Second-Level-Domains durch die DENIC erfolgt nach dem Prioritätsgrundsatz, ohne Kollisionsprüfung auf andere Rechte. Nach den Vergabebestimmungen - die auf RFC 1591 beruhen, der zwar keine Rechtsnorm, aber weltweit anerkannter Internet-Standard ist (ausf. Bettinger/Freytag, a.a.O., S. 29 ff.) - ist der Antragsteller selbst verpflichtet, die einzutragende Domain auf die Vereinbarkeit mit Rechten Dritter zu überprüfen. Bei Streitigkeiten über Rechte an einem bestimmten Domain-Namen haftet die Registrierungsstelle nicht. Diese Ziele und das System der Eintragung werden gebilligt, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage "zum Schutz von Internet-Adressen" belegt (BT-Drucks. 14/3956 v. 28.7.2000, dort insbesondere S. 4): "Nach Erkenntnissen der Bundesregierung arbeitet die DENIC e.G. bislang zur Zufriedenheit der deutschen Internetgemeinschaft. Ihr Registrierungsverfahren leistet eine funktionsfähige und faire Versorgung aller Antragsteller mit Domain-Namen. Insofern besteht grundsätzlich kein Anlass, die Registrierung von Domain-Namen in einen anderen rechtlichen und organisatorischen Rahmen zu überführen. Die Versorgung mit Domain-Namen und die schnelle und effektive Registrierung ist der Hauptzweck des Registrierungsverfahrens. Die nationalen und internationalen Registrierstellen können nicht alle Interessengegensätze in Bezug auf die Nutzung eines Domain-Namens präventiv berücksichtigen und auflösen". Praktisch würde eine umfassende Prüfungspflicht bedeuten: Für jede Registrierung müsste die Beklagte zu 2. sämtliche Unternehmenskennzeichen und Namensrechte auf die Priorität und ihren rechtlichen Bestand überprüfen. Dabei würde bereits eine bloße Namensabgleichung das Verfahren blockieren. Technisch ist ein Vergleich der angemeldeten Eintragung und der bestehenden Namen und Kennzeichen sicher möglich. Bei ca. 6 Mrd. Menschen und einer unbekannten Zahl von juristischen Personen und Kennzeichen ist aber nahezu jeder Name und jedes Kennzeichen mehrfach belegt. Eine Rechtsverletzung schiene möglich, eine Eintragung (ohne ausgiebige Prüfung) wäre gehindert. Das Ziel einer schnellen und kostengünstigen Reservierung und damit das Funktionieren des Systems weltweit wäre, bei monatlich weit über 20.000 Registrierungsanträgen, nicht zu erreichen. Während so im automatisierten Verfahren eine Registrierung weniger als 1 Minute Zeit braucht, dauert eine Markenanmeldung beim deutschen Patent- und Markenamt derzeit (bei entsprechenden Prüfungspflichten) 6-12 Monate. Um dieses Ziel - zügige, reibungslose und kostengünstige Registrierung - zu erreichen, muss die Beklagte zu 2. im Konfliktfall - etwa Streit zweier Namensträger, Prioritätsstreit bei Kennzeicheninhabern - nicht prüfen, wem der Vorrang einzuräumen ist. Die Entscheidung des Konflikts auf sie zu verlagern und dadurch ihre Verantwortung zu erweitern ist nicht sachgerecht. Sie hätte jeweils - stellvertretend - für den Verletzer oder den vermeintlichen Verletzer den Rechtsstreit um das bessere Recht zu führen. Sie ist deshalb zur Eintragung oder Löschung nur verpflichtet, wenn ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil dem anderen die Benutzung der Second-Level-Domain untersagt (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.; LG Frankfurt a.a.O.; Bettinger/Freytag, a.a.O.). In diesen Fällen ist es für die Beklagte zu 2. evident, dass eine andere Sachentscheidung nicht erfolgen wird. Nach diesen Regeln ist die Beklagte zu 2. nicht als Störerin bzw. mittelbare Verletzerin verantwortlich, obwohl sie einen kausalen Beitrag geleistet hat. Sie hat gegen keine Prüfungspflicht verstoßen, die Namensverletzung war für sie nicht (unschwer) zu erkennen, auch wenn es sich beim Kläger um eine berühmte Persönlichkeit handelt. Eine Überprüfung mit dem Nachweis der Berechtigung des Anmelders läuft dem gebilligten automatisierten Registrierungsverfahren zuwider. Eine Prüfung auf die "Berühmtheit" hin lässt sich nicht - zumutbar - durchführen. Es fehlt bereits ein verlässlicher Maßstab, wer "berühmt" ist. Der Vorschlag des Klägers, eine Überprüfung anhand des "Who is who", liefe auf einen "diffusen" Sonderrechtsschutz für prominente hinaus, der letztendlich einen Großteil des Internets blockieren würde. In der deutschen Ausgabe 92/93 ("Wer ist wer?", Schmidt/Römhold, Lübeck) sind nahezu 44.000 "Persönlichkeiten" eingetragen. Ein Großteil der Eingetragenen ist nicht allgemein bekannt, viele Prominente fehlen. Dass von Gleichnamigen derjenige das "bessere Namensrecht" hat, der in diesem Werk eingetragen ist, ist bisher nicht vertreten worden; dem Nichteingetragenen wäre das Internet versperrt. Der Namensschutz des § 12 BGB gilt unabhängig von der Bekanntheit und der Reputation des Namensträgers.

Für einen Unterlassungsanspruch fehlt neben der Rechtsverletzung auch die Wiederholungsgefahr; auch ein vorbeugender Unterlassungs-(Beseitigungs-)Anspruch besteht nicht; er würde auch die Sperrung des Domain-Namens im Internet nicht tragen. Die geltend gemachten Rechtsverletzungen könnten auch nur zu einem Unterlassungsanspruch der konkreten Verletzungshandlung führen, nicht zu einer Blockierung des Domain-Namens im Internet. Eine solche "Sperrung" kommt, wenn lediglich das Namensrecht und nicht auch ein Zeichen verletzt wird, nicht (oder jedenfalls nur in sehr seltenen Ausnahmefällen) in Betracht. Ein solcher fall liegt hier nicht vor.

Die Beklagte zu 2. haftet, wenn ein Dritter für sie erkennbar in grober Weise die Rechte des Klägers verletzt. Eine Handlungspflicht besteht nur bei offensichtlichen Rechtsverstößen und wenn ein rechtskräftiges vorläufig vollstreckbares Urteil vorliegt. Die Blockierung eines Domain-Namens ist damit nur gerechtfertigt, wenn jede Eintragung eines Dritten einen für die Beklagte zu 2. erkennbar offensichtlichen Rechtsverstoß darstellt; anders ausgedrückt, eine Sperrung hat zu unterbleiben, wenn ein Dritter seine Eintragung begehren könnte und diese keinen offensichtlichen Rechtsverstoß darstellen würde. Wird im Streit zweier Namensträger der Beklagten zu 2. nicht die Prüfungspflicht aufgebürdet, wem der Vorrang einzuräumen ist, so erst recht nicht die in die Zukunft gerichtete Prognose, ob möglicherweise ein anderer Berechtigter eine Reservierung der Domain erzwingen könnte. Die Anmeldung durch einen anderen "Kurt Biedenkopf" wäre hier möglich und kein offensichtlicher Rechtsverstoß.

Die Namensverletzung ist auch nicht vergleichbar der Kennzeichenverletzung. Ein Rechtsverstoß ist hier in aller Regel erkennbar, wenn ein berühmtes Kennzeichen überragende Verkehrsgeltung auch in allgemeinen Verkehrskreisen erlangt hat (OLG Frankfurt a.a.O., 218; LG Frankfurt a.a.O., 1750; Bettinger/Freytag, a.a.O., S. 38).Während ein bestimmtes Kennzeichen nur einem Inhaber zusteht, fehlt diese "Einmaligkeit" beim Namensrecht. Ein anderer "Kurt Biedenkopf" könnte die Domain für sich registrieren lassen, ohne einen offensichtlichen Rechtsverstoß zu begehen. Es gilt das Recht der Gleichnamigen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 12 Rz. 24 und Rz. 27).

  

BVerfG

28.2.2002

Az.: 1 BvR 1676/01

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fragen, ob der Verordnungsgeber die geltenden Immissionsgrenzwerte zum Schutz vor hypothetischen Gefährdungen verschärfen muss und unter welchen Voraussetzungen die Gerichte verpflichtet sind, Beweis über die Behauptung zu erheben, die geltenden Grenzwerte seien angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Immissionen überholt.

1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines von ihm bewohnten Grundstücks in der Nähe einer Mobilfunkanlage; solche Anlagen werden in § 1 Abs. 2 Nr. 1 der 26. BImSchV (Verordnung über elektromagnetische Felder vom 16. Dezember 1996, BGBl I S. 1966) als Hochfrequenzanlagen definiert. Die hier in Rede stehende Mobilfunkanlage hält die in Anhang 1 zu § 2 der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte unstreitig ein. Diese Grenzwerte beruhen auf den übereinstimmenden Empfehlungen des Komitees für nichtionisierende Strahlen der Internationalen Strahlenschutzvereinigung, der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierenden Strahlen sowie der beim Bundesamt für Strahlenschutz (Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt) angesiedelten Strahlenschutzkommission (vgl. BRDrucks 393/96, S. 10). Sie orientieren sich an nachweisbaren Gesundheitsgefahren einer durch Hochfrequenzfelder ausgelösten Erwärmung des Gewebes (vgl. BRDrucks 393/96, S. 15; Kutscheidt, NJW 1997, S. 2481, 2483). Der Verordnungsgeber hatte weiter gehende Schutzmaßnahmen abgelehnt, weil sie sich nicht auf verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse stützen könnten (vgl. BRDrucks 393/96, S. 22 und BRDrucks 393/1/96, S. 3 ff.). In einer Entschließung anlässlich der Verabschiedung der Verordnung forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, ihm einen Bericht vorzulegen, wenn sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die Bewertung der Möglichkeit langfristiger Gesundheitsschäden durch die Einwirkung elektromagnetischer Felder ergäben (vgl. BRDrucks 393/96 <Beschl.> S. 5).

2. Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren die baurechtliche Genehmigung zur Errichtung einer Mobilfunkanlage mit der Begründung angefochten, die elektromagnetischen Felder, die diese Anlage verursache, schädigten seine Gesundheit. Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 20. August 2001 abgelehnt. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Blick auf die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende staatliche Schutzpflicht. Der Verordnungsgeber könne gerichtlich nicht verpflichtet werden, bei der Bestimmung der Grenzwerte auch den nur möglichen, aber nicht nachgewiesenen Gesundheitsgefährdungen zu begegnen. Es werfe auch keine rechtlichen Bedenken auf, dass das Verwaltungsgericht den Anträgen des Beschwerdeführers auf Einholung von Sachverständigenbeweisen zur Frage der Gefährlichkeit von elektromagnetischen Strahlen unterhalb der geltenden Grenzwerte nicht gefolgt sei. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, die dem Verordnungsgeber zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Der Beschwerdeführer habe seine Auffassung einer gesundheitsschädlichen Wirkung der Immissionen von Hochfrequenzanlagen unterhalb der Grenzwerte auch nicht mit wissenschaftlich belegbaren Fakten untermauern können, welche die Entscheidung des Verordnungsgebers zu den Grenzwerten als völlig unzulänglich erscheinen lassen könnten. Den von ihm vorgelegten Berichten und Untersuchungen ließen sich keine neuen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der Frage entnehmen, ob die Grenzwerte der 26. BImSchV ausreichend seien. Auch die unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen geltend gemachte Behauptung des Beschwerdeführers, seine Erkrankungen seien ursächlich auf die Mobilfunkstation zurückzuführen, hätten dem Verwaltungsgericht keinen Anlass zu einer entsprechenden Beweiserhebung geben müssen. Den ärztlichen Bescheinigungen ließen sich keine konkreten Anhaltspunkte für die behauptete Kausalität entnehmen.

II.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und rügt die Verletzung der Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

Es verstoße gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn dem Verordnungsgeber das Recht zugesprochen werde, nicht auszuschließende Schädigungen der Gesundheit durch elektromagnetische Strahlungen in Kauf zu nehmen, nur weil es schwierig sei, die weiter gehenden Wirkungen auch mit konkreten Grenzwerten zu erfassen. Jedenfalls verlange die staatliche Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG von den Gerichten, die Schutzeignung der geltenden Grenzwerte anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu überprüfen. Dies habe das Oberverwaltungsgericht verkannt, weil es die erstinstanzliche Ablehnung seiner Anträge auf Einholung von Sachverständigenbeweisen zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Gefährlichkeit hochfrequenter Strahlen unterhalb der Grenzwerte und zur Ursächlichkeit der Strahlung für seine Erkrankungen unbeanstandet gelassen habe. Das Oberverwaltungsgericht habe außerdem die von ihm als Beleg für die behaupteten neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse und seiner strahlenbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgelegten Berichte und ärztlichen Bescheinigungen in verfassungswidriger Weise falsch bewertet.

III.

Die Annahmevoraussetzungen liegen nicht vor (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf; sie hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Rüge einer Verletzung der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden staatlichen Schutzpflicht durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts greift nicht durch.

a) Es kann offen bleiben, ob die staatliche Schutzpflicht vorliegend berührt ist (so auch hinsichtlich der Grenzwerte für Niederfrequenzanlagen BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Februar 1997, NJW 1997, S. 2509). Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts genügt jedenfalls den aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sich ergebenden Anforderungen an den staatlichen Schutz der menschlichen Gesundheit.

b) Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Verordnungsgeber sei im Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht verpflichtet, die geltenden Grenzwerte zum Schutz vor Immissionen zu verschärfen, über deren gesundheitsschädliche Wirkungen keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen.

Dem Verordnungsgeber kommt bei der Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gebietet nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann vielmehr nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben (vgl. BVerfGE 56, 54 <81>; 77, 381 <405>; 79, 174 <202>; stRspr).

Ausgehend hiervon besteht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen. Die geltenden Grenzwerte könnten nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar ist, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Davon kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt. Das Oberverwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass es allein der politischen Entscheidung des Verordnungsgebers obliegt, ob er - bei gebotener Beachtung konkurrierender öffentlicher und privater Interessen - Vorsorgemaßnahmen in einer solchen Situation der Ungewissheit sozusagen "ins Blaue hinein" ergreifen will. Dementsprechend verlangt die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht von den Gerichten, den Verordnungsgeber deshalb auf einer wissenschaftlich ungeklärten Tatsachengrundlage zur Herabsetzung der Grenzwerte zu verpflichten, weil nachteilige Auswirkungen von Immissionen auf die menschliche Gesundheit nicht ausgeschlossen werden können.

c) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Verwaltungsgericht sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Gefährlichkeit hochfrequenter elektromagnetischer Felder durch Einholung von Sachverständigenbeweisen zu ermitteln, ist ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Bei komplexen Gefährdungslagen, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, kommt dem Verordnungsgeber ein angemessener Erfahrungs- und Anpassungsspielraum zu. In einer solchen Situation der Ungewissheit verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten weder, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen, noch, die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weiter gehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit auf Grund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden ist (vgl. BVerfGE 49, 89 <130, 132 f.>; 56, 54 <78 ff.>; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Februar 1997, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1998, NVwZ 1998, S. 631). Das Oberverwaltungsgericht trägt dieser eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsbefugnis in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dadurch Rechnung, dass es eine eigenständige Risikoeinschätzung auf der Grundlage einer gerichtlichen Beweiserhebung von der konkreten Darlegung gesicherter Erkenntnisse von erheblichem wissenschaftlichem Gewicht abhängig macht, die anerkannte Stellen über eine unzureichende Schutzeignung der geltenden Grenzwerte gewonnen haben.

Eine solche Verteilung der Verantwortung zur Beurteilung komplexer, wissenschaftlich umstrittener Gefährdungslagen zwischen Exekutive und Gerichten trägt auch den nach Funktion und Verfahrensweise unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten beider Gewalten Rechnung (vgl. BVerfGE 61, 82 <114 f.>; 84, 34 <50>; 95, 1 <15> m.w.N.). Dies zeigt der vorliegend in Rede stehende Forschungsbereich deutlich. Untersuchungen zu den Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen finden bereits seit längerem auf internationaler Ebene und fachübergreifend statt, insbesondere auch zu den hier in Rede stehenden Einwirkungen unterhalb der geltenden Grenzwerte. Die Forschungen sind nach wie vor keineswegs abgeschlossen. Vielmehr ist die Zahl neuer Forschungsarbeiten äußerst groß (vgl. BTDrucks 14/3911, S. 48 f. zu einer parlamentarischen Anfrage). In dieser Situation kann durch die Betrachtung einzelner wissenschaftlicher Studien kein konsistentes Bild über die Gefährdungslage erlangt werden; eine kompetente Risikobewertung setzt stattdessen die laufende fachübergreifende Sichtung und Bewertung der umfangreichen Forschung voraus (vgl. BTDrucks 14/3911, a.a.O.; Weese, BWGZ 2001, S. 781, 782). Diese Aufgabe wird von verschiedenen internationalen und nationalen Fachkommissionen wahrgenommen, unter anderem von einer beim Bundesamt für Strahlenschutz gebildeten Arbeitsgruppe von Experten aus den mit dem Forschungsgegenstand befassten Fachrichtungen (vgl. BTDrucks 14/3911, a.a.O. und 14/6999, S. 44 f. jeweils auf parlamentarische Anfragen). Es liegt auf der Hand, dass die gerichtliche Beweiserhebung anlässlich eines konkreten Streitfalles die gebotene Gesamteinschätzung des komplexen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes nicht leisten kann. Eine kompetente eigenständige Risikobewertung durch die Gerichte kann erst erfolgen, wenn die Forschung so weit fortgeschritten ist, dass sich die Beurteilungsproblematik auf bestimmte Fragestellungen verengen lässt, welche anhand gesicherter Befunde von anerkannter wissenschaftlicher Seite geklärt werden können.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dem Vorbringen des Beschwerdeführers ließen sich keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die den Grenzwerten für Hochfrequenzanlagen zu Grunde liegende Risikoeinschätzung des Verordnungsgebers auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse überholt sein könnte. Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers die Bedeutung und Tragweite der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht verkannt haben könnte.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten wissenschaftlichen Publikationen hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, auch in diesen Publikationen werde eingeräumt, dass es derzeit keinen ausreichenden wissenschaftlichen Nachweis über eine gesundheitsschädliche Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder unterhalb der geltenden Grenzwerte gebe; den vorgelegten Berichten sei zu entnehmen, dass der Nachweis einer pathogenetischen Rolle der beschriebenen biologischen Effekte der Strahlung bisher nicht zu führen sei. Gleichwohl gegebene Empfehlungen geringerer Grenzwerte seien daher ausdrücklich als "rein vorbeugend" gekennzeichnet worden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers gab dem Gericht auf der Grundlage seiner Feststellungen von Verfassungs wegen keinen Anlass zu weiter gehender Klärung der Gefährdungslage.

Ohne Verfassungsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht schließlich auch eine Pflicht des Verwaltungsgerichts zur Durchführung einer Beweisaufnahme über die Behauptung des Beschwerdeführers verneint, die sich innerhalb der Grenzwerte haltenden Immissionen der benachbarten Hochfrequenzanlage hätten jedenfalls bei ihm zu gesundheitlichen Schädigungen geführt. Das gilt schon deshalb, weil der Beschwerdeführer nach der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts nicht ansatzweise aufgezeigt hat, dass eine wissenschaftliche Untersuchung seiner individuellen Gefährdungssituation neue Einsichten zu der Frage erbringen könnte, ob und gegebenenfalls auf welche Weise Immissionen von Hochfrequenzanlagen, die die Grenzwerte einhalten, sich nachteilig auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer einen solchen neuen Forschungsansatz hätte dartun können. Denn bereits bisher wurden in geeigneten Fällen neben Zellversuchen und Tierexperimenten auch Untersuchungen an Personen vorgenommen, etwa an solchen, die berufsbedingt hochfrequenten Feldern ausgesetzt sind oder waren, oder die geltend machen, ihre gesundheitliche Beeinträchtigung werde durch elektromagnetische Felder ausgelöst (vgl. Empfehlungen der Strahlenschutzkommission vom September 2001, S. 32 ff., 38).

  

BGH

07.11.2001

Az.: VIII ZR 13/01

Zum Abschluß und zur Wirksamkeit eines Kaufvertrages bei einer Internet-Auktion.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob sie im Juli 1999 bei einer Internet-Auktion einen wirksamen Kaufvertrag über einen Pkw geschlossen haben. Die r. ... .de AG in H. ... (im folgenden: r. ... .de) führte auf ihrer Web-Site unter der Bezeichnung "r. ... private auktionen" Online-Auktionen durch, an denen (als Verkäufer oder Käufer) nur teilnehmen konnte, wer sich zuvor bei r. ... .de angemeldet und dabei die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für r. ... .de Verkaufsveranstaltungen" (im folgenden: AGB) anerkannt hatte. Die AGB lauteten auszugsweise wie folgt:

Präambel (3) Auf ... private auktionen finden § 156 BGB, § 34 b GewO und die Verordnung über gewerbsmäßige Versteigerungen keine Anwendung.

§ 3 Beschreibung des Kaufgegenstandes, Verkaufsangebot bei privaten Auktionen (1) R. ... .de ermöglicht es Teilnehmern, im Eigentum des jeweiligen Teilnehmers stehende Gegenstände, die im Rahmen von private auktionen verkauft werden sollen, auf Angebotsseiten öffentlich zu präsentieren. (5) Der anbietende Teilnehmer wird im Rahmen der Freischaltung der Angebotsseite aufgefordert, die in Abs. 4 und § 5 Abs. 4 genannten Zusicherungen und Erklärungen gegenüber r. ... .de abzugeben. R. ... .de handelt dabei als Empfangsvertreter aller anderen Teilnehmer, § 164 Abs. 3 BGB. Die Freischaltung erfolgt erst, wenn der anbietende Teilnehmer die geforderten Zusicherungen und Erklärungen abgegeben hat.

§ 4 Vertragsangebot (1) Für die von ... anbietenden Teilnehmern im Rahmen von private auktionen angebotenen Gegenstände können alle Teilnehmer mit Ausnahme des in Abs. 2 genannten Personenkreises während des jeweils für den angebotenen Gegenstand angegebenen Angebotszeitraumes (§ 6) verbindliche Kaufangebote über die r. ... .de-Website abgeben. (4) Kaufangebote, die unter dem von ... dem anbietenden Teilnehmer geforderten Mindestkaufpreis liegen, sind unwirksam. (7) Bei Angeboten, die im Rahmen von private auktionen abgegeben werden, handelt r. ... .de als Empfangsvertreter der anbietenden Teilnehmer, § 164 Abs. 3 BGB.

§ 5 Annahme eines Vertragsangebotes (4) Bei private auktionen erklärt der anbietende Teilnehmer bereits mit der Freischaltung seiner Angebotsseite gemäß § 3 Abs. 5 die Annahme des höchsten unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 4 und 5 wirksam abgegebenen Kaufangebotes. Der anbietende Teilnehmer wird von r. ... .de vom Zustandekommen des Kaufvertrages alsbald, spätestens jedoch bis 24.00 Uhr des zweiten Werktages nach Ende des Angebotszeitraumes (§ 6) per e-mail unter der von dem anbietenden Teilnehmer angegebenen e-mail-Adresse unterrichtet.

Der Beklagte, der nebenberuflich mit EU-reimportierten Kraftfahrzeugen handelte, richtete unter seinem Benutzernamen für den Verkauf eines Neuwagens VW-Passat eine Angebotsseite mit einer Fahrzeugbeschreibung ein. Er legte den Startpreis (10 DM), die Schrittweiten der Gebote sowie die Dauer der Auktion fest und gab eine vorgegebene Erklärung ab, in der es unter anderem heißt: "Bereits zu diesem Zeitpunkt erkläre ich die Annahme des höchsten, wirksam abgegebenen Kaufangebotes." Einen Mindestkaufpreis setzte der Beklagte nicht fest. Die Angebotsseite wurde für fünf Tage auf der Web-Site von r. ... .de freigeschaltet. Der Kläger gab unter seinem Benutzernamen acht Sekunden vor Auktionsende mit 26.350 DM das letzte und höchste Gebot ab. R. ... .de teilte dem Kläger durch eine E-Mail mit, er habe den Zuschlag erhalten, und forderte ihn unter Bekanntgabe der Identität des Verkäufers auf, sich mit diesem in Verbindung zu setzen, um die Abwicklung von Versand und Bezahlung zu regeln. Der Beklagte lehnte die Lieferung des Pkw zu dem Gebot des Klägers mit der Begründung ab, es sei noch kein Vertrag zustande gekommen; er war jedoch zu einem Verkauf des Fahrzeugs zum Preis von "ca. 39.000 DM" bereit. Vorsorglich focht er seine etwaige Willenserklärung wegen eines Versehens bei der Eingabe des Startpreises an. Der Kläger hat den Beklagten auf Übereignung des Pkw Zug um Zug gegen Zahlung von 26.350 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Münster, JZ 2000, 730 ). Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt (OLG Hamm, JZ 2001, 764 = NJW 2001, 1142). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Kaufvertrag wirksam zustande gekommen. Die Freischaltung der Angebotsseite durch den Beklagten stelle bereits ein rechtsverbindliches Verkaufsangebot des Beklagten dar, das der Kläger durch sein Höchstgebot angenommen habe. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die von den Parteien bei ihrer Anmeldung gegenüber r. ... .de akzeptiert worden seien, bildeten die Auslegungsgrundlage dafür, wie die Parteien als Erklärungsempfänger bzw. r. ... .de als deren Empfangsvertreter die jeweilig abgegebenen Erklärungen der Parteien verstehen durften. Soweit die vom Beklagten mit der Freischaltung abgegebene Erklärung in § 5 Abs. 4 AGB als Annahme bezeichnet werde, liege darin eine rechtlich unschädliche Falschbezeichnung; tatsächlich erfülle diese Erklärung bereits alle Anforderungen an ein rechtsverbindliches Angebot und sei nicht lediglich eine "invitatio ad offerendum". Selbst wenn die mit der Freischaltung der Angebotsseite verbundene Erklärung des Beklagten nicht als Angebot im Sinne des § 145 BGB anzusehen wäre, stellte sie jedenfalls eine antizipierte Annahmeerklärung hinsichtlich des durch den letzten Bieter - den Kläger - wirksam abgegebenen Angebots dar. Auch unter dem Gesichtspunkt einer AGB-Kontrolle bestünden gegen die Wirksamkeit der Willenserklärung des Beklagten keine Bedenken. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von r. ... .de entfalteten über ihre Bedeutung für die Auslegung der Parteierklärungen hinaus keine rechtliche Wirkung im Verhältnis der Parteien zueinander, so daß es auf ihre Wirksamkeit nicht ankomme. Keine der beiden Vertragsparteien sei Verwender der AGB. Sähe man gleichwohl den Beklagten als Verwender an, so unterfiele er nicht dem Schutzzweck des AGB-Gesetzes. Wäre dagegen der Käufer als Verwender anzusehen, dann hielte § 5 Abs. 4 der AGB einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG jedenfalls stand; § 10 Nr. 5 AGBG sei ohnehin nicht anwendbar. Die vom Beklagten erklärte Anfechtung seiner Willenserklärung greife nicht durch. Der geltend gemachte Erklärungsirrtum habe, wie der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung eingeräumt habe, nicht vorgelegen; im übrige fehle es auch an der Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung und an der Unverzüglichkeit der Anfechtungserklärung. Der Vertrag sei auch nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig; § 34 b Abs. 1 GewO und § 34 b VO Nr. 5 b GewO richteten sich nur an den Auktionsveranstalter. Die Verbindlichkeit sei auch klagbar. Bei der Internet-Auktion handele es sich nicht um ein Glücksspiel im Sinne des § 762 BGB.

II. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag über den vom Beklagten auf der Web-Site von r. ... .de angebotenen Pkw geschlossen.

1. Verträge kommen zustande durch auf den Vertragsschluß gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen, in der Regel durch Angebot ("Antrag") und Annahme nach §§ 145 ff BGB, bei Versteigerungen durch Gebot und Zuschlag (§ 156 BGB). Diese Willenserklärungen können, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch durch elektronische Übermittlung einer Datei im Internet - online - abgegeben und wirksam werden.

2. Ein Vertragsschluß nach § 156 BGB scheidet im Streitfall aus, weil auf das Gebot des Klägers kein Zuschlag erfolgt ist. Die Mitteilung von r. ... .de an den Kläger, er habe den "Zuschlag" erhalten, enthielt keine entsprechende Willenserklärung von r. ... .de und bezog sich auch nicht auf eine solche. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die hier durchgeführte Online-Auktion den Tatbestand einer Versteigerung im Sinne des § 156 BGB erfüllte und ob die (dispositive) Vorschrift des § 156 BGB durch die Präambel der AGB für das Rechtsverhältnis der Parteien wirksam abbedungen wurde.

3. Ein Vertrag ist jedoch nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff BGB zustande gekommen.

a) Außer Frage steht, daß das online abgegebene Höchstgebot des Klägers eine wirksame, auf den Abschluß eines Kaufvertrages mit dem Beklagten gerichtete Willenserklärung darstellt. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es auf seiten des Beklagten nicht an einer entsprechenden Willenserklärung. Diese liegt nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts darin, daß der Beklagte die von ihm eingerichtete Angebotsseite für die Versteigerung seines Pkw mit der (ausdrücklichen) Erklärung freischaltete, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste, wirksam abgegebene Kaufangebot an. Dabei kann - weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung - dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom Berufungsgericht hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine - rechtlich zulässige - vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt. Die wechselseitigen Erklärungen der Parteien sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts r. ... .de als Empfangsvertreter der Parteien (§ 164 Abs. 3 BGB) jeweils zugegangen und damit wirksam geworden (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dadurch ist der Kaufvertrag zwischen den Parteien nach §§ 145 ff BGB zustande gekommen.

b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die vom Beklagten abgegebene Erklärung in Verbindung mit der zugleich bewirkten Freischaltung seiner Angebotsseite eine auf den Verkauf des angebotenen PKW gerichtete Willenserklärung darstellt und nicht lediglich eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum).

aa) Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolges gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1993 - II ZR 73/92, NJW 1993, 2100 unter I 1). Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung.

Das Berufungsgericht hat bei der Würdigung der vom Beklagten bewirkten Freischaltung seiner Angebotsseite im Verhältnis zum Kläger zu Recht nicht allein auf den Inhalt der Angebotsseite, der bei der Online-Auktion auf dem Bildschirm erscheint, abgestellt, sondern die Erklärung einbezogen, welche der Beklagte bei der Freischaltung abzugeben hatte, um die Freischaltung zu bewirken (§§ 3 Abs. 5, 5 Abs. 4 AGB), und die der Beklagte durch Anklicken der entsprechend vorformulierten Erklärung bei der Freischaltung auch tatsächlich abgegeben hat. Diese ausdrückliche Erklärung des Beklagten, die zwar auf der Angebotsseite selbst nicht erschien, aber r. ... .de als Empfangsvertreter des Klägers zugegangen ist, stellte in Verbindung mit dem Inhalt der Angebotsseite, auf den sie sich bezog, die auf den Abschluß des Kaufvertrags mit dem Meistbietenden gerichtete Willenserklärung des Beklagten dar.

Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe sich in unzulässiger Weise über den eindeutigen Wortlaut der vom Beklagten bei der Freischaltung abgegebenen Erklärung hinweggesetzt, berührt dies nur die nicht entscheidungserhebliche Frage, ob die Willenserklärung des Beklagten als Angebot oder als vorweggenommene Annahme zu qualifizieren ist, nicht jedoch deren Charakter als rechtsgeschäftliche Willenserklärung.

bb) Die Willenserklärung des Beklagten war auch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hinreichend bestimmt. Zwar richtete sie sich an eine nicht konkret bezeichnete Person (ad incertam personam). Sie genügte aber dem Bestimmtheitserfordernis, weil zweifelsfrei erkennbar war, mit welchem Auktionsteilnehmer der Beklagte abschließen wollte, nämlich (nur) mit dem, der innerhalb des festgelegten Angebotszeitraumes das Höchstgebot abgab (vgl. Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 145 Rdnr. 4; Staudinger/Bork, BGB, 13. Aufl., § 145 Rdnr. 19).

cc) Für das Verständnis der bei der Freischaltung abgegebenen Erklärung des Beklagten bedarf es allerdings nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, eines Rückgriffs auf § 5 Abs. 4 AGB. Zwar können Allgemeine Geschäftsbedingungen für Internet-Auktionen als Auslegungsgrundlage herangezogen werden, wenn Erklärungen der Auktionsteilnehmer nicht aus sich heraus verständlich sind. Verständnislücken können dann unter Rückgriff auf die durch die Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen begründeten wechselseitigen Erwartungen der Auktionsteilnehmer und deren gemeinsames Verständnis über die Funktionsweise der Online-Auktion geschlossen werden. Die bei der Freischaltung gesondert abgegebene Erklärung des Beklagten ("Bereits zu diesem Zeitpunkt erkläre ich die Annahme des höchsten, wirksam abgegebenen Kaufangebotes.") ließ jedoch den Bindungswillen des Beklagten - unmißverständlich - bereits aus sich heraus erkennen, ohne daß für das Verständnis dieser Erklärung auf die entsprechende - gleichlautende - Bestimmung in § 5 Abs. 4 AGB zurückgegriffen werden mußte.

dd) Unerheblich ist, ob sich der Beklagte bei Abgabe seiner Willenserklärung und Freischaltung der Angebotsseite des verbindlichen Charakters seiner Erklärung bewußt war. Trotz fehlenden Erklärungsbewußtseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende - wie der Beklagte - bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte (BGHZ 91, 324; BGHZ 109, 171, 177). Ein für den Empfänger nicht erkennbarer Vorbehalt, sich nicht binden zu wollen, ist unbeachtlich (§ 116 BGB). Dem Erklärenden verbleibt nur die Möglichkeit einer Anfechtung seiner Willenserklärung nach §§ 119 ff BGB in den dort bestimmten Grenzen.

4. Gründe für eine Unwirksamkeit der Willenserklärung des Beklagten und damit des Kaufvertrages liegen nicht vor und ergeben sich insbesondere nicht, wie die Revision geltend macht, aus dem AGB-Gesetz.

a) Nach Auffassung der Revision fehlt es an einer verbindlichen Willenserklärung des Beklagten, weil die Klausel in § 5 Abs. 4 AGB nach § 9 AGBG unwirksam sei; sie benachteilige den Einlieferer unangemessen und sei auch mit wesentlichen Grundgedanken des § 156 BGB unvereinbar. Dem kann nicht gefolgt werden.

Im Ausgangspunkt zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die Parteien bereits bei ihrer Anmeldung als (künftige) Nutzer der Auktionsplattform gegenüber r. ... .de anerkannt haben, im Verhältnis der Parteien zueinander von keiner Seite "gestellt" wurden, so daß keine Vertragspartei "Verwender" im Sinne des § 1 AGBG ist. Mit dieser Feststellung ist allerdings die Frage, ob Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Veranstalters von Internet-Auktionen einer Kontrolle nach dem AGB-Gesetz auch insoweit unterliegen, als sie das Vertragsverhältnis der Auktionsteilnehmer untereinander betreffen, nicht bereits abschließend zu verneinen.

Nach der Rechtsprechung des Senats können vom Versteigerer verwendete Auktionsbedingungen für herkömmliche Versteigerungen (§ 156 BGB) einer Inhaltskontrolle durchaus auch insoweit unterliegen, als sie den Kaufvertrag zwischen Einlieferer und Ersteigerer betreffen (Senatsurteil vom 23. Mai 1984 - VIII ZR 27/83, NJW 1985, 850 = WM 1984, 1056; Senatsurteil vom 19. Dezember 1984 - VIII ZR 286/83, ZIP 1985, 550). Ob diese Rechtsprechung auf Versteigerungsbedingungen für Online-Auktionen übertragbar ist oder hierfür andere rechtliche Konstruktionen oder dogmatische Begründungen zu entwickeln sind, bedarf jedoch im Streitfall keiner abschließenden Beurteilung (zum Stand der Diskussion zu dieser Frage vgl. Wiebe, Vertragsschluß bei Online-Auktionen, MMR 2001, 109, ders. in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen 2001, S. 69 ff.; Spindler, Vertragsabschluß und Inhaltskontrolle bei Internet-Auktionen, ZIP 2001, 809; Sester, Vertragschluß bei Internet-Auktionen, CR 2001, 98; Rüfner, Virtuelle Marktordnungen und das AGB-Gesetz, MMR 2000, 597; Ulrici, Zum Vertragsschluß bei Internet-Auktionen, NJW 2001, 1112; Grapentin, Vertragsschluß bei Internet-Auktionen, GRUR 2001, 713; Hartung/Hartmann, "Wer bietet mehr?" - Rechtsicherheit des Vertragsschlusses bei Internet-Auktionen, MMR 2001, 278; Hager, Die Versteigerung im Internet, JZ 2001, 786; Burgard, Online-Marktordnung und Inhaltskontrolle WM 2001, 2102). Denn hier geht es nicht um Versteigerungsbedingungen, welche die inhaltliche Ausgestaltung des Kaufvertrages zwischen Einlieferer und Ersteigerer betreffen (z.B. Vorleistungspflicht des Ersteigerers, Senatsurteil vom 23. Mai 1984, aaO), sondern um den Vertragsabschluß selbst.

Der Vertragsabschluß hat grundsätzlich invidividuellen Charakter, auch wenn die Willenserklärungen, aus denen er sich zusammensetzt, vorformulierte Bestandteile besitzen. Daher kommen solche Erklärungen als Gegenstand einer Prüfung gemäß Vorschriften, die sich auf Allgemeine Geschäftsbedingungen beziehen, nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 1. März 1982 - VIII ZR 63/81, NJW 1982, 1388 = WM 1982, 444; ebenso BGH, Urteil vom 13. Februar 1985 - IVb ZR 72/83, NJW 1985, 1394 = WM 1985, 757 unter A II 2 a). Ob dies auch dann gilt, wenn auf einen Vertragsschluß gerichtete Willenserklärungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind oder von ihnen fingiert werden, kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Die individuelle Willenserklärung, die der Beklagte selbst abgegeben hat, indem er die auf seine Angebotsseite bezogene Erklärung, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das Höchstgebot an, unmittelbar vor der Freischaltung mit einem Häkchen versehen ("angeklickt") und durch die Eingabe "Auktion starten" r. ... .de zugeleitet hat, unterliegt jedenfalls keiner Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff AGBG.

Daran ändert auch nichts, daß die Willenserklärung des Beklagten teilweise vorformuliert war und insoweit der Formulierung in § 5 Abs. 4 AGB entsprach. Denn § 5 Abs. 4 AGB gibt der vom Beklagten bei der Freischaltung persönlich abgegebenen Willenserklärung - wie oben dargelegt (II 3 b cc) - keinen anderen Inhalt als diese aus sich selbst heraus hat.

Insoweit unterscheidet sich § 5 Abs. 4 AGB auch von Vertragsabschlußklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die Voraussetzungen eines Vertragsabschlusses anders regeln wollen als in §§ 145 ff BGB und eine unmittelbare Auswirkung auf das Zustandekommen eines Vertrages beanspruchen. Daran fehlt es bei § 5 Abs. 4 AGB, der die auf den Vertragsschluß gerichtete Willenserklärung des Anbieters nicht ersetzt und ihr auch keine von §§ 145 ff. BGB abweichende rechtliche Wirkung verleiht. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Vertragsabschlußklauseln der vorgenannten Art bereits vor Vertragsschluß Wirkung für den Abschluß eines Vertrages haben können, bedarf deshalb im Streitfall keiner Erörterung (vgl. dazu Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 2 Rdnr. 63; Staudinger/Schlosser, aaO, § 2 Rdnr. 39).

b) Der Beklagte hat seine Willenserklärung nicht wirksam wegen Irrtums (§ 119 BGB) angefochten. Der zunächst behauptete Erklärungsirrtum (fehlerhafte Eingabe des Startpreises) lag, wie die Revision einräumt, nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Der erstmals in der Revision behauptete Inhaltsirrtum, wonach der Beklagte mit der Veröffentlichung seiner Angebotsseite keine rechtsverbindliche Erklärung habe abgeben wollen, unterliegt als neues tatsächliches Vorbringen nicht der Beurteilung durch das Revisionsgericht (§ 561 Abs. 1 ZPO).

c) Die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, denen zufolge ein etwaiger Verstoß des Auktionsveranstalters gegen § 34 b Abs. 1 GewO und § 34 b Verordnung Nr. 5 b GewO nicht nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages zwischen den Parteien führen würde, werden von der Revision nicht angegriffen.

d) Soweit die Revision schließlich meint, eine Verbindlichkeit des Beklagten sei nicht begründet worden, weil es sich bei der vorliegenden Internet-Auktion um ein Spiel (§ 762 BGB) gehandelt habe, verkennt sie, daß die Preisbildung für einen dort angebotenen Gegenstand - wie bei einer herkömmlichen Versteigerung - eine gewisse Zufälligkeit nur insoweit aufweist, als die Stärke der Nachfrage im Angebotszeitraum ungewiß ist. Dies macht die Online-Auktion aber ebenso wie eine herkömmliche Versteigerung nicht zum Spiel. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der Anbieter die Möglichkeit hat, das Bietgeschehen durch entsprechende Vorgaben zu steuern (Höhe des Startpreises, Festlegung der Bietschritte und des Bietzeitraumes) und das Risiko einer Verschleuderung wegen zu geringer Nachfrage auszuschließen (Festlegung eines Mindestpreises). In der Auktion wurde von den Parteien ein ernsthafter wirtschaftlicher Geschäftszweck verfolgt, der auf den Austausch gegenseitiger Leistungen mit einer Preisbildung durch zeitlich beschränkte Bieterkonkurrenz gerichtet war. Dieser Zweck schließt die Annahme eines Spiels aus (vgl. BGHZ 69, 295, 301).

  

LG Hamburg

26.08.2002

Az.: 416 O 94/02

Die Darstellung des Impressums einer Website unter dem Begriff "Backstage", der erst erkennbar wird, wenn bei einer Bildschirmauflösung von 800x800 Pixel nach rechts gescrollt wird, erfüllt nicht die Anforderungen, die § 6 TDG an ein Impressum im Internet stellt, da eine solche Darstellung nicht unmittelbar erreichbar und leicht erkennbar ist.

  

OLG Köln

06.09.2002

Az.: 19 U 16/02

1. Das bloße Unterhalten einer E-Mail-Adresse führt ebenso wenig zur Tragung der Missbrauchsgefahr wie der bloße Besitz einer Kreditkarte.

2. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein Gebot bei der Internet-Auktion tatsächlich vom Inhaber der E-Mail Adresse abgegeben worden ist, besteht nicht, da der Sicherheitsstandard im Internet nicht ausreichend ist, um aus der Verwendung eines geheimen Passworts auf denjenigen als Verwender zu schließen, dem dieses Passwort ursprünglich zugeteilt worden ist.

3. Der Anbieter bei einer Internetauktion ist nicht in seinem Vertrauen darauf geschützt, dass der Bieter mit dem Inhaber der E-Mail-Adresse identisch ist.

Tatbestand:

In der Zeit vom 10. bis 17. August 2000 wurde von der Firma I-T. eine Internetauktion über eine goldene Herrenarmbanduhr veranstaltet. Die Abgabe von Geboten erfolgte per E-Mail über bei dem Internetanbieter G. eingerichtete Adressen. Der Beklagte unterhielt bei dieser Firma zum damaligen Zeitpunkt zwei E-Mail-Konten: ein privates Konto mit Benutzernamen "k." und ein dienstliches Konto mit Benutzernamen "a.". Beide Konten hatte er als (geheimes) Passwort die Zahlenkombination seines Geburtsdatums () gewählt.

Die Herrenarmbanduhr wurde in der Auktion von einem Benutzer unter dem Namen "b.T." angeboten. Das Einstiegsgebot sollte mindestens 18.000,00 DM betragen. Am 14. August 2000 wurde um 18:55 Uhr auf die Uhr ein Gebot über 18.000,00 DM abgegeben. Als Bieter vermerkte das EDV-System des Auktionsveranstalters den Auktionsteilnehmer "". Nach dem dieses das einzige Gebot blieb, teilte G. dem Kläger am 24. August 2000 mit, dass Gebot sei von einer E-Mail-Adresse abgegeben worden, zu der als "Kontaktinformation" Name, Anschrift und private E-Mail-Anschrift des Beklagten gespeichert seien. Als der Kläger dem Beklagten daraufhin zur Bezahlung und Abnahme der Uhr aufforderte, lehnte dieser unter anderem mit E-Mail vom 31. August 2000 ab. Er machte geltend, das Gebot sei von einem unbefugten Dritten abgegeben worden.

Mit Urteil vom 07.08.2001, auf dessen Inhaltwegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, es stehe nicht fest, dass der Beklagte das Gebot vom 14.08.2000 abgegeben habe.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung rügt der Kläger vorrangig, das Landgericht habe ihn zu Unrecht für den Umstand, dass der Beklagte das Gebot abgegeben habe, für beweisbelastet gehalten. Jedenfalls hätte es einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten annehmen müssen, den der Beklagte nicht erschüttert habe. Selbst wenn man dies ablehne, haftet der Beklagte nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht.

Der Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit sehr ausführlicher, alle Probleme ansprechenden und zutreffender bewertenden Begründung die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils, der er sich vollinhaltlich anschließt, Bezug (zustimmend ebenfalls Wiebe, MMR 2002, 257; Hoeren, CR 2002, 295; in einem gleichgelagerten Fall hat das AG Erfurt ebenso entschieden, MMR 2002, 127).

Die gegen das Urteil geäußerten Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Entgegen der Ansicht des Klägers trägt der Beklagte nicht allein deshalb, weil er bei G. ein E-Mail-Konto mit einem bestimmten Pseudonym und Passwort unterhalten hat, das Missbrauchsrisiko mit der Folge einer Beweislastumkehr nach Gefahrenkreisen. Das bloße Unterhalten einer E-Mail-Adresse führt ebenso wenig zur Tragung der Missbrauchsgefahr wie der bloße Besitz einer Kreditkarte zu einer Haftung des Inhabers führt im Falle der missbräuchlichen Angabe seiner (geheimen) Kreditkartennummer durch einen unbefugten Dritten z. B. im Mailorderverfahren (siehe hierzu BGH NJW 2002, 2234 unter Hinweis auf Langenbucher, Die Risikozuweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 259).

Auch ein Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten ist nicht gegeben. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den für die Annahme des Anscheinsbeweises typischen Geschehensablauf abgelehnt. Der Sicherheitsstandard im Internet ist - wie jedem, der sich mit dem Datenverkehr befasst, bekannt ist - derzeit nicht ausreichend, um aus der Verwendung eines geheimen Passworts auf denjenigen als Verwender zu schließen, dem dieses Passwort ursprünglich zugeteilt worden ist. Auch die vom Kläger dargestellten Probleme einer "Entschlüsselung" des Passworts kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Ein Missbrauch setzt nämlich eine vorherige Entschlüsselung nicht voraus. Vielmehr kann jemand, der mit den Abläufen im Netz ausreichend vertraut ist, was heute schon bei einer Vielzahl Jugendlicher gegeben ist, ohne allzu großen Aufwand das Passwort "lesen". Von einer für einen Anscheinsbeweis ausreichenden Typizität wird man möglicherweise bei der Verwendung einer elektronischen Signatur ausgehen können, nicht aber bei einem ungeschützten Passwort (s hierzu Schmidl, CR 2002, 508, der von einer gesetzlichen Echtheitsvermutung im Falle einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Willenserklärung ausgeht). Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, dass der Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers einen Anscheinbeweis zudem ausreichend erschüttert hat.

Eine Haftung des Beklagten ist auch nicht nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht gegeben. Von einer Anscheinsvollmacht ist auszugehen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters; es handelt sich um einen Fall der Zurechnung eines schuldhaft verursachten Rechtsscheins. Hier mangelt es bereits daran, dass der Beklagte am Abend des 14.08.2000 gar nicht die Möglichkeit hatte, das vollmachtlose Handeln des Unbefugten vorauszusehen. Am 14.08.2000 wusste der Beklagte zwar, dass sein E-Mailzugang gesperrt war; selbst bei größtmöglicher Sorgfalt musste er aber daraus nicht schließen, dass jemand in seinem Namen, d. h. unter Verwendung seines geheimen Passwortes Verträge im Internet abschloss.

Zudem fehlt es auf Seiten des Klägers aber auch an dem für die Annahme einer Rechtscheinshaftung erforderlichen schützenswerten Vertrauen, wie das Landgericht ausführlich und zutreffend begründet hat. Ebenso wenig wie derjenige, bei dem telefonisch unter Namen und Anschrift einer existenten Person missbräuchlich etwas bestellt wird, und wie derjenige, bei dem im Mailorderverfahren jemand etwas unter Verwendung einer fremden Kreditkartennummer bestellt, ist der Anbieter bei einer Internetauktion in seinem Vertrauen darauf geschützt, dass der Bieter mit dem Inhaber der E-Mail-Adresse identisch ist.

Die Revision wird zugelassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Angesichts der wachsenden Zahl von Vertragsabschlüssen im Internet ist das Auftreten der klärungsbedürftigen Frage dieses Rechtsstreits, ob dem Anbietenden bzgl. der Person seines Vertragspartners eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen zu Gute kommen können, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten. Diese Frage bedarf daher höchstrichterlicher Klärung.

  

BVerfG

04.07.2002

Az.: 2 BvR 2168/00

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Einspruch gegen einen Strafbefehl, der am letzten Tag der Einspruchsfrist mit einem Computerfax eingelegt worden ist, sowie die Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Zurückweisung des Einspruchs als unzulässig.

1. Gegen den Beschwerdeführer und eine Mitangeklagte erging am 11. Juli 2000 ein Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart wegen fahrlässigen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen durch Unterlassen. Der Strafbefehl, der die nach § 409 Abs. 1 Nr. 7 StPO vorgesehene Rechtsmittelbelehrung in der üblichen Form enthielt, wurde dem Beschwerdeführer am 13. Juli 2000 zugestellt. Am 27. Juli 2000 gingen um 15.46 Uhr und 16.19 Uhr Telefax-Schreiben ein, mit denen der Beschwerdeführer zur Fristwahrung Einspruch gegen den Strafbefehl einlegte und zugleich die Übersendung des Einspruchsschreibens per Post am selben Tag ankündigte. Die Telefax-Schreiben trugen die maschinenschriftlichen Namen des Beschwerdeführers und der Mitangeklagten, enthielten aber keine Unterschrift, da der Beschwerdeführer sie mit Hilfe seines Computers ohne Ausdruck unmittelbar an das Amtsgericht geschickt hatte. Erst am 31. Juli 2000 ging ein weiteres undatiertes Einspruchsschreiben ein, das - ansonsten wortgleich - auch eine Unterschrift des Beschwerdeführers aufwies.

Mit Verfügung vom 31. Juli 2000 bestimmte das Amtsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung für den 21. September 2000, in dem es sodann feststellte, dass die per Telefax versandten Einspruchsschreiben nicht handschriftlich unterzeichnet waren. Nach Erörterung der rechtlichen Voraussetzungen eines Einspruchs stellte der Beschwerdeführer vorsorglich und hilfsweise einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Darin machte er geltend, dass sowohl sein am 31. Juli 2000 beim Amtsgericht eingegangenes Schreiben als auch die Form der Rechtsmittelbelehrung, die keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift enthalte, gegen ein Verschulden bei der (möglichen) Versäumung der Einspruchsfrist sprächen.

Nach Aussetzung der Hauptverhandlung beantragte der Beschwerdeführer über seinen Verteidiger erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte nochmals Einspruch ein. Nach der Rechtsprechung sei eine handschriftliche Unterzeichnung des Einspruchs nicht erforderlich. Auch sein Wille zur Einspruchseinlegung sei klar erkennbar. Zumindest aber habe er nicht schuldhaft gehandelt, da die Rechtsbehelfsbelehrung keinen Hinweis auf die handschriftliche Unterzeichnung enthalten habe. Im Übrigen könne von natürlichen Personen nicht so viel an Rechtskenntnis vorausgesetzt werden; der Laie bekomme heutzutage zahlreiche amtliche Dokumente, die nicht unterschrieben seien. Besonders zu beachten sei außerdem, dass es sich um die Möglichkeit des ersten Zugangs zu Gericht handele, weshalb die Anforderungen an den Ausschluss des Verschuldens herabgesetzt seien. Eine Entscheidung, die dies nicht beachte, verletze sein rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sowie sein Freiheitsgrundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG.

2. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2000 verwarf das Amtsgericht Stuttgart den Einspruch des Beschwerdeführers als unzulässig und wies zugleich den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Zur Begründung wies es darauf hin, dass der am 31. Juli 2000 eingegangene und unterschriebene Einspruch wegen Verspätung und die fristgerecht am 27. Juli 2000 per Telefax eingegangene Einspruchserklärung wegen Nichteinhaltung des Schriftlichkeitserfordernisses als unzulässig anzusehen seien. Die Schriftform solle gewährleisten, dass aus einem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der die Erklärung ausgehe, hinreichend zuverlässig entnommen werden könnten. Außerdem solle die Schriftform gewährleisten, dass es sich bei den Schriftsätzen nicht um einen Entwurf handele, sondern dass dieses mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet werde. Ebenso wie das Oberlandesgericht Stuttgart (NStZ 1997, S. 152) sehe das Gericht die Schriftform bei Fehlen einer handschriftlichen Unterzeichnung deshalb nicht als gewahrt an, da nicht klar sei, ob es sich bei dem per Fax übermittelten Schreiben lediglich um einen Entwurf gehandelt habe. Dieser Rechtsansicht stünde im Übrigen auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1963 ( BVerfGE 15, 288 ) nicht entgegen; die Verfassungsbeschwerde dort sei unterschrieben worden, lediglich der Sachverhalt sowie der angegriffene Hoheitsakt hätten sich erst aus einer Anlage ergeben, die nicht unterschrieben gewesen sei.

Hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrags ging das Amtsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht unverschuldet an der rechtzeitigen Erhebung des Einspruchs gehindert gewesen sei. Er habe nicht dargetan, irgendwelche Versuche unternommen zu haben, sich bezüglich der Formerfordernisse bei Rechtskundigen Rat zu holen. Die Tatsache, dass einige Tage später ein inhaltsgleiches, aber unterschriebenes Schreiben bei Gericht eingegangen sei, zeige, dass dem Beschwerdeführer seine Nachlässigkeit sehr wohl bewusst gewesen sei. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen nach § 44 Satz 2 StPO nicht vor, da kein Fall fehlender oder unvollständiger Rechtsmittelbelehrung gegeben sei. So enthalte die dem Strafbefehl beigefügte Rechtsmittelbelehrung zwar keinen Hinweis darauf, dass der Einspruch zu unterschreiben sei. Dies sei jedoch unschädlich, da es bei vernünftiger Betrachtungsweise auf der Hand liege, dass ein Schriftstück, mit dem ein Einspruch eingelegt werden soll, mit einer Unterschrift zu versehen sei.

3. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein, mit der er die Missachtung seiner Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG sowie des § 44 Satz 2 StPO rügte. Die Einspruchsschrift lasse den Adressaten und den Willen klar erkennen, Rechtsmittel einzulegen. Auch sei erkennbar gewesen, dass es sich nicht um einen Entwurf gehandelt habe. Nach systematischer Auslegung der Strafprozessordnung ergebe sich, dass eine eigenhändige Unterschrift nicht vonnöten sei. Im Übrigen bestehe keine Pflicht des Beschwerdeführers, bei Rechtskundigen Rat einzuholen. Auch könne das nachträglich eingegangene Schreiben nicht zu seinen Lasten gewertet werden. Ferner übersehe das Gericht, dass es bei einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht auf eine "vernünftige Betrachtungsweise", sondern auf eine streng formelle Sicht ankomme. Bei dieser Auslegung habe das Gericht außer Acht gelassen, dass es bei einem Einspruch gegen einen Strafbefehl um den ersten Zugang zu Gericht gehe.

4. Mit Beschluss vom 7. November 2000 verwarf das Landgericht Stuttgart die Beschwerde. Es schloss sich der Ansicht des Amtsgerichts an, dass die per Telefax übermittelten Einsprüche der in § 410 StPO geforderten Schriftform nicht genügten, weil sie nicht unterzeichnet gewesen seien. Das Merkmal der Schriftlichkeit schließe zwar nach dem Sprachgebrauch die handschriftliche Unterzeichnung eines Schriftstücks nicht ohne Weiteres ein. Ohne ein Anzeichen der Autorisierung durch den Beschwerdeführer auf dem Einspruchsschreiben könne aber nicht zuverlässig geschlossen werden, dass das Schriftstück seinem Willen entsprochen habe und mit seinem Willen in den Verkehr gelangt sei. Diese Auslegung des Schriftformerfordernisses verletze den Beschwerdeführer auch nicht in seinen Grundrechten, da auch der "erste Zugang zum Gericht" von der Einhaltung bestimmter Zugangsvoraussetzungen, die den Beschwerdeführer nicht unzumutbar belasten, abhängig gemacht werden könne.

Zutreffend habe das Amtsgericht auch angenommen, dass der Beschwerdeführer die vorgeschriebene Form des Einspruchs nicht ohne eigenes Verschulden versäumt habe. Wer - wie der Beschwerdeführer - für die Einlegung des Einspruchs einen Weg wähle, der die im deutschen Geschäfts- und Rechtsverkehr gültigen Kriterien verkürze, müsse sich kundig machen, ob seine Vorgehensweise den Anforderungen genüge.

5. Eine gegen die Entscheidung des Landgerichts vorgebrachte "Gegenvorstellung" des Beschwerdeführers wies das Landgericht mit Beschluss vom 20. November 2000 zurück, da eine außerordentliche Beschwerde, die in der Strafprozessordnung keine Stütze finde, unzulässig sei.

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.

Die Auslegung des Schriftlichkeitserfordernisses gemäß § 410 StPO durch das Landgericht nehme ihm die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren und versperre ihm den ersten Zugang zum Gericht. Das Gericht missachte dabei nicht nur die gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gebotene weite Auslegung des § 410 StPO, sondern übersehe darüber hinaus in tatsächlicher Hinsicht, dass die Einspruchsschrift durch mehrmaliges Senden, die Angabe des Absenders und des Aktenzeichens, die kursiv gedruckte Unterzeichnung, die Bezugnahme auf den Strafbefehl, die präzise Bezeichnung des Zustelldatums, die Formulierung "zur Fristwahrung per Fax", den Hinweis auf ein noch nachfolgend postalisch versandtes Schreiben sowie das nachträglich eingegangene Schreiben selbst hinreichend identifizierbar gewesen sei. Auch stelle das aufgestellte Unterschrifterfordernis eine Ungleichbehandlung gegenüber Angeschuldigten dar, die im Verfahren nach §§ 199 ff. StPO verfolgt würden und hinsichtlich derer das Schriftformerfordernis nicht gelte. Schließlich verletze das Landgericht bei seiner Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenfalls Art. 103 Abs. 1 GG; das Bundesverfassungsgericht habe gerade in Fällen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betont, dass der erste Zugang zu Gericht besonders zu beachten sei und deshalb die Anforderungen an die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen nicht überspannt werden dürften.

7. Das Land Baden-Württemberg hat von der Möglichkeit einer Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§§ 93b, 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

8. a) Das Strafbefehlsverfahren ist für die Strafrechtspflege von großer praktischer Bedeutung. Die Möglichkeit, in geeigneten Fällen die Rechtsfolgen einer Tat ohne Hauptverhandlung aufgrund des Akteninhalts in einem schriftlichen Verfahrens festzusetzen, ist ein wichtiges strafprozessuales Rechtsinstitut der Verfahrenserledigung. Der Erlass eines Strafbefehls liegt aber vielfach auch im Interesse des Beschuldigten. Diesem wird häufig daran gelegen sein, dass sein Verfahren ohne Aufsehen und Zeitverlust erledigt wird (vgl. BVerfGE 25, 158 <164 f.> ). Ein Verfahren, das die Möglichkeit eröffnet, auf vereinfachtem Weg zu einer Entscheidung zu gelangen, die einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht, bedarf in einem Rechtsstaat allerdings der Absicherung. Die Unzulänglichkeiten des Strafbefehlsverfahrens sind deshalb nur hinnehmbar, weil der Beschuldigte durch bloßen Einspruch nach § 410 StPO die Durchführung der Hauptverhandlung erzwingen kann und damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör und der Zugang zum Gericht verbürgt sind (Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 1995 - 2 BvR 1950/94, StV 1995, S. 393; vom 19. April 1995 - 2 BvR 2295/94, NVwZ-RR 1996, S. 120).

b) Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert dem Bürger einen effektiven Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt; der Bürger hat Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat der Bürger ferner das Recht, sich in einem gerichtlichen Verfahren zu äußern und vom Richter zur Sache gehört zu werden. Diese einander ergänzenden verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien schließen die normative Ausgestaltung eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht aus, wonach die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens an die Beachtung formeller Voraussetzungen gebunden wird. Solche Einschränkungen dürfen aber das Ziel eines wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht aus dem Auge verlieren; sie müssen im Hinblick darauf geeignet und angemessen sowie für den Rechtssuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGE 41, 323 <326 f.>; 44, 302 <305 f.>; 74, 228 <234>; 77, 275 <284> ).

Es ist danach von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass für den Einspruch nach § 410 StPO die Schriftform verlangt wird. Sie soll gewährleisten, dass dem Schreiben der Wille des Beschuldigten, Einspruch einzulegen, hinreichend zuverlässig entnommen werden kann, und soll zugleich sicherstellen, dass es sich bei dem Schreiben nicht nur um einen Entwurf, sondern um einen mit Wissen und Wollen dem Gericht zugeleitetes Schriftstück handelt (vgl. zur Schriftform allgemein BVerfGE 15, 288 <291> ; ferner: Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BGHZ 75, 340 <348 f.>). Die Schriftform dient damit der Rechtssicherheit, die einen Belang rechtsstaatlicher Verfahrensordnungen darstellt, und belastet den Beschuldigten nicht unzumutbar (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 1994 - 1 BvR 1510/93 -, NJW 1994, S. 2606).

c) Auch die Gerichte dürfen bei der Auslegung und Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228 <234>; 77, 275 <284> ). Sie sind gehalten, den Grundsatz rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung zu beachten (vgl. BVerfGE 69, 126 <140>; 75, 183 <190> ), und dürfen bei der Anwendung und Auslegung der prozessrechtlichen Vorschriften, die die Gewährung rechtlichen Gehörs sichern sollen, keine überspannten Anforderungen stellen ( BVerfGE 25, 158 <166> ). Dies gilt ebenso für die Frage, ob ein Beschuldigter einen formwirksamen Einspruch nach § 410 StPO eingelegt hat, wie für die Prüfung, ob einem Beschuldigten, der die Einspruchsfrist versäumt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (vgl. BVerfGE 40, 95 <99> ; zuletzt Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1997 - 2 BvR 842/96 -, NJW 1997, S. 1770).

9. Diesem Maßstab wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.

a) Die Ansicht des Landgerichts, die von dem Beschwerdeführer per Computerfax übermittelten Einsprüche genügten nicht der in § 410 StPO geforderten Schriftform, wird der Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG nicht gerecht.

aa) Das Landgericht mißt der Notwendigkeit einer handschriftlichen Unterzeichnung eines Schriftstücks im Rahmen der einfachen Schriftform, die keine Unterzeichnung durch einen Verteidiger oder Rechtsanwalt verlangt (vgl. § 345 Abs. 2 StPO), eine Bedeutung bei, die sich aus dem Zweck des Schriftformerfordernisses nicht ergibt und die angesichts der damit für den Betroffenen beim Zugang zum Gericht verbundenen Konsequenzen seine verfassungsmäßig abgesicherten Verfahrensrechte verletzt.

Es ist zwar zutreffend, wenn das Landgericht unter Bezugnahme auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung annimmt, dem Erfordernis der Schriftform werde grundsätzlich dadurch Genüge getan, dass ein Schriftstück handschriftlich vom Absender unterzeichnet werde. Doch lässt sich daraus nicht der - vom Landgericht gezogene Schluss - ableiten, die Schriftform sei in jedem Fall verletzt, wenn das Schriftstück nicht handschriftlich unterzeichnet, sondern mit dem maschinenschriftlich geschriebenen Namen des Beschwerdeführers schließe.

Die Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem soll sie sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BGHZ 75, 340, 348 f.; 144, 160, 162). Ausgehend von dieser Zweckbestimmung des Schriftformerfordernisses hält der Bundesgerichtshof in Strafsachen unter Rückgriff auf reichsgerichtliche Rechtsprechung (RGSt 62, 53 <54>; 63, 246 <248>; 67, 385 <388 f.>) die eigenhändige Unterzeichnung nicht für eine wesentliche Voraussetzung der Schriftlichkeit; entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (NStZ 1997, S. 152), auf die das Landgericht in seiner Entscheidung Bezug nimmt, genügt es vielmehr, wenn aus dem Schriftstück ansonsten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt und dass kein bloßer Entwurf vorliegt (BGHSt 2, 77, 78; 12, 317; BGH NJW 1984, S. 1974; NStZ-RR 2000, S. 305; BGH [2. Strafsenat] vom 17. April 2002 - 2 StR 63/02 -; s. auch OLG Zweibrücken, NStZ 1984, S. 576; VRS 64, S. 443, 444). Diesem Verzicht auf die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift hat sich das Bundesverfassungsgericht, das entscheidend darauf abstellt, welcher Grad von Formenstrenge nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist, für die Auslegung des Schriftformerfordernisses in § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG angeschlossen (vgl. BVerfGE 15, 288 <291 f.> ).

bb) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wäre das Ausgangsgericht gehalten gewesen, über die nicht genügende Feststellung hinaus, dass das fristgerecht eingegangene Faxschreiben des Beschwerdeführers nicht unterschrieben sei, zu fragen, ob der darin erhobene Einspruch gegen den Strafbefehl von dem Beschwerdeführer herrührte und dieser ihn mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht hat. Dabei hätte das Gericht berücksichtigen müssen, dass als Absender der Name des Beschwerdeführers, der auch maschinenschriftlich unter dem Schreiben zu finden ist, genannt war und in dem Schreiben zusätzlich das Aktenzeichen und das Zustelldatum des Strafbefehls und damit Daten genannt waren, die in der Regel allein dem Betroffenen bekannt sind. Weiter hätte das Gericht einbeziehen müssen, dass das Schreiben ausdrücklich zur Fristwahrung per Fax übersandt worden ist. Nicht zuletzt hätte sich das Gericht mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass das Schreiben binnen kurzer Zeit zweimal bei Gericht eingegangen ist.

cc) Der Notwendigkeit einer solchen Prüfung durch die Fachgerichte steht die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 (BGHZ 144, 160) nicht entgegen, die in ihrem Leitsatz feststellt, dass in Prozessen mit Vertretungszwang ein bestimmender Schriftsatz formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden könne. Der Beschluss des Gemeinsamen Senats, der sich ausdrücklich ohnehin nur auf Parteienprozesse mit Vertretungszwang und damit auf Schriftsätze bezieht, die kraft Gesetzes mit einer Unterschrift zu versehen sind, ist nicht dahin zu verstehen, dass ausschließlich im Fall einer eingescannten Unterschrift das Schriftformerfordernis erfüllt sei. Der Gemeinsame Senat weist, ausgehend vom Zweck des Schriftformerfordernisses, vielmehr bereits von sich aus darauf hin, dass die Person des Erklärenden über die Konstellation der eingescannten Unterschrift hinaus auch bei einer anderen Gestaltung des Computerfaxes eindeutig bestimmt sein könne. Ist auf dem Schreiben der Hinweis angebracht, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne (BGHZ 144, 160, 165), ist nach Ansicht des Gemeinsamen Senats in der Regel das Schriftformerfordernis auch erfüllt, zumal der Wille, einen solchen Schriftsatz dem Gericht zuzuleiten, grundsätzlich nicht ernsthaft bezweifelt werden könne (BGHZ 144, 160, 165).

Im Übrigen lassen sich Anhaltspunkte dafür, dass nach Ansicht des Gemeinsamen Senats lediglich in den von ihm genannten Fällen das Schriftformerfordernis erfüllt sei, der Entscheidung, die sich auf die Beantwortung der begrenzten Vorlagefrage konzentriert und sich in der Tradition einer Rechtsprechung sieht, die dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung trägt, nicht entnehmen.

dd) Eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob die Schreiben von dem Beschwerdeführer herrührten und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden seien, war von Verfassungs wegen zur effektiven Rechtsschutzgewährung geboten. Das Schreiben des Beschwerdeführers betraf den Einspruch gegen einen Strafbefehl; der Einspruch war für den Beschwerdeführer die erste und einzige Möglichkeit, die in einem schriftlichen summarischen Verfahren ergangene Entscheidung einer Hauptverhandlung gerichtlich überprüfen zu lassen. Er diente damit der Verschaffung rechtlichen Gehörs in einer Hauptverhandlung, in der es dem Betroffenen - über die Einlassung im Ermittlungsverfahren hinaus - erstmalig möglich ist, umfassend rechtliche und tatsächliche Einwendungen gegen den im Strafbefehl erhobenen Tatvorwurf vorzubringen. Ein Gericht, das sich bei dieser Sachlage auf die Feststellung einer fehlenden handschriftlichen Unterzeichnung und den Hinweis auf eine mangelnde Autorisierung des Faxes beschränkt, ohne auf die genannten individualisierenden und auf den Beschwerdeführer als Verfasser hinweisenden Umstände einzugehen, verkennt den Bedeutungsgehalt der sich aus Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG ergebenden Verfahrensrechte eines Beschuldigten im Strafverfahren.

b) Auch die Auffassung des Landgerichts, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert, weil der Beschwerdeführer die vorgeschriebene Form des Einspruchs nicht ohne eigenes Verschulden versäumt habe, ist mit der Bedeutung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien von Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG nicht in Einklang zu bringen. Das Landgericht überspannt die Anforderungen an die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 44 StPO, wenn es von dem Beschwerdeführer verlangt, dieser habe sich kundig machen müssen, ob seine Vorgehensweise den Anforderungen der deutschen Rechtsordnung genüge. Schon angesichts der auf das Reichsgericht zurückgehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der genannten Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes lässt sich nicht feststellen, der Beschwerdeführer habe mit seiner Art der Einspruchseinlegung die im deutschen Geschäfts- und Rechtsverkehr gültigen Kriterien verkürzt und bereits deshalb rechtskundigen Rat einholen müssen. Die Tragweite des verfassungsrechtlich gewährleisteten Zugangs zum Gericht im Strafverfahren legt es bei dieser Sachlage vielmehr nahe, dem Beschwerdeführer ungeachtet der Frage, ob sein Schreiben auf der Grundlage der dargelegten Rechtsprechung tatsächlich dem Schriftformerfordernis genügt, jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. BFHE 190, 404).

Der Beschluss des Landgerichts war deshalb gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, und die Sache war an das Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde zurückzuverweisen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

  

 

BGH 1. Zivilsenat

22. November 2001

Az: I ZR 138/99

1. Der kennzeichenrechtliche Schutz aus §§ 5, 15 MarkenG geht in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich dem Namensschutz aus § 12 BGB vor.

 2. Schon die Registrierung, nicht erst die Benutzung eines fremden Unternehmenskennzeichens als Domain-Name im nichtgeschäftlichen Verkehr, stellt einen unbefugten Namensgebrauch nach § 12 BGB dar.

 3. Verwendet ein Nichtberechtigter ein bekanntes Kennzeichen als Domain-Namen im geschäftlichen Verkehr, liegt darin eine Beeinträchtigung der Kennzeichnungskraft des bekannten Zeichens nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 bzw. § 15 Abs. 3 MarkenG.

 4. Kommen mehrere berechtigte Namensträger für einen Domain-Namen in Betracht, führt die in Fällen der Gleichnamigkeit gebotene Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen im allgemeinen dazu, daß es mit der Priorität der Registrierung sein Bewenden hat. Nur wenn einer der beiden Namensträger eine überragende Bekanntheit genießt und der Verkehr seinen Internet-Auftritt unter diesem Namen erwartet, der Inhaber des Domain-Namens dagegen kein besonderes Interesse gerade an dieser Internet-Adresse dartun kann, kann der Inhaber des Domain-Namens verpflichtet sein, seinem Namen in der Internet-Adresse einen unterscheidenden Zusatz beizufügen. 

5. Dem Berechtigten steht gegenüber dem nichtberechtigten Inhaber eines Domain-Namens kein Anspruch auf Überschreibung, sondern nur ein Anspruch auf Löschung des Domain-Names zu.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. März 1999 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und im Umfang der nachfolgenden Abänderung aufgehoben. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Landgerichts München I, 21. Zivilkammer, vom 27. Mai 1998 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, das Zeichen "shell.de" außerhalb des geschäftlichen Verkehrs im Internet als Domain-Name zu verwenden. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten Ordnungsgeld bis zu
500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der Verwendung der im Tatbestand wiedergegebenen Homepage und/oder des Domain-Namens "shell.de" in der
Werbung für Textverarbeitung, Übersetzungen, Durchführung von Recherchen, Erstellung und Produktion von Printbeiträgen entstanden ist oder noch entstehen wird.

Der Beklagte wird ferner verurteilt, gegenüber der DENIC auf die Registrierung des Domain-Namens "shell.de" zu verzichten. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des landgerichtlichen Verfahrens und des Revisionsverfahrens haben die Klägerin 51 % und der Beklagte 49 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 71 %, der Beklagte 29 % zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die für den Beklagten registrierte Internet-Adresse "shell.de".

Die Klägerin ist die Deutsche Shell GmbH. Sie ist ein Tochterunternehmen des weltweit bekannten Mineralölunternehmens Shell. Sie wurde am 12. Oktober 1917 unter dem Namen Deutsche Shell Aktiengesellschaft gegründet und vor kurzem in eine GmbH umgewandelt. Die Muttergesellschaft der Klägerin ist Inhaberin zweier Wortmarken "SHELL", die eine eingetragen u.a. für Treibstoffe aller Art (Zeitrang 31.3.1955), die andere eingetragen für eine Fülle von Dienstleistungen, u.a. im Bereich des Marketing, der Datenverarbeitung und der Ausbildung (Zeitrang 2.4.1979). Der Beklagte heißt Andreas Shell. Er betreibt im Nebenberuf ein Unternehmen, das u.a. Übersetzungen sowie die Erstellung von Pressetexten anbietet.

Ein Unternehmen (im folgenden: ISB), das auch Inhaberin einer Vielzahl anderer Domain-Namen ist, ließ bei der DENIC die Adresse "shell.de" im April 1996 für sich registrieren und bot der Klägerin kurz darauf an, ihren Internet-Auftritt unter diesem Domain-Namen zu konzipieren und zu organisieren. Nachdem die Klägerin auf dieses Angebot nicht eingegangen war, bot ISB die Internet-Adresse "shell.de" dem Beklagten an. Der Beklagte nahm dieses Angebot an - er ist inzwischen Inhaber dieses Domain-Namens - und richtete unter der Adresse "shell.de" die nachstehend wiedergegebene, im Original in den Farben rot und gelb gehaltene Homepage ein, mit der er auf sein Unternehmen hinwies:

Die Klägerin hat die Verwendung der Internet-Adresse "shell.de" durch den Beklagten als eine Verletzung ihrer berühmten Marken sowie als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie hat den Beklagten auf Unterlassung der Verwendung des Domain-Namens "shell.de" und der oben wiedergegebenen Homepage in Anspruch genommen und beantragt, die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz festzustellen. Ferner hat sie Auskunft sowie die Umschreibung des Domain-Namens "shell.de" auf sich begehrt. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat es dem Beklagten untersagt,

1. das Zeichen "Shell.de" im Internet als Domain-Namen zu verwenden;

2. in der Werbung für Textverarbeitung, Übersetzungen, Durchführung von
Recherchen, Erstellung und Produktion von Printbeiträgen die oben
wiedergegebene Homepage und/oder den Domain-Namen "Shell.de" zu verwenden.

Ferner hat das Landgericht die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz wegen Handlungen nach Ziffer 2 festgestellt und den Beklagten zur Erteilung einer Auskunft verurteilt. Soweit die Klägerin mit der Klage die Umschreibung des Domain-Namens "Shell.de" auf sich begehrt hatte, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Dabei hat der Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung verfolgt, während sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage mit dem Umschreibungsantrag gewendet hat. Hilfsweise zu diesem Antrag hat sie im Berufungsverfahren beantragt, den Beklagten zu verurteilen, gegenüber der DENIC auf die Registrierung des Domain-Namens "shell.de" zu verzichten.

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, durch die er sich gegenüber der Klägerin verpflichtet hat, das Zeichen "shell.de" als Domain-Namen im Internet nicht mehr im geschäftlichen Verkehr zu benutzen. Die Homepage hat er entsprechend verändert.

Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten im wesentlichen zurückgewiesen; nur hinsichtlich des Auskunftsantrags hat es die Klage abgewiesen, nachdem der Beklagte die Auskunft erteilt hatte. Auf die Berufung der Klägerin hat es den Beklagten zusätzlich verurteilt, gegenüber der DENIC Zug um Zug gegen Erstattung der Registrierungskosten in die Umschreibung des Domain-Namens "shell.de" auf die Klägerin einzuwilligen (OLG München WRP 1999, 955).

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin sowohl hinsichtlich der generellen Verwendung des Domain-Namens "shell.de" als auch hinsichtlich des Einsatzes der oben wiedergegebenen Homepage sowie des Domain-Namens "shell.de" für das Übersetzungs- und Pressebüro des Beklagten bejaht und diesen Anspruch aus § 12 BGB abgeleitet. Eine Internet-Adresse könne Kennzeichnungs- und Namensfunktion besitzen. Für "shell.de" gelte dies bereits wegen der überragenden Bekanntheit und Berühmtheit des Namens und der Marke "Shell"; dies führe dazu, daß derjenige, der die Internet-Adresse "shell.de" anwähle, eine Homepage der Klägerin und nicht die einer ihm unbekannten Person mit dem Familiennamen Shell erwarte. Zwar komme einer juristischen Person Namens- und Firmenschutz nur in ihrem Funktionsbereich zu; insbesondere sei im Rahmen des § 12 BGB nur das geschäftliche Interesse der Klägerin schutzwürdig. Hierzu zähle aber auch das Interesse der Klägerin, im geschäftlichen Bereich nicht behindert zu werden. Die Klägerin werde aber behindert, wenn Interessenten, die mit ihr Kontakt aufnehmen wollten, fehlgeleitet würden und auf der Homepage des Beklagten landeten. Dem Beklagten sei es eher zuzumuten, sich von der Klägerin abzusetzen, als umgekehrt. Schließlich bestehe auch ein Interesse der Allgemeinheit, durch den Domain-Namen "shell.de" nicht auf eine falsche Fährte gelockt zu werden.

Im Streitfall komme noch hinzu, daß der Beklagte die Registrierung des Domain-Namens von einem Dritten übernommen habe, dem es in grob sittenwidriger Weise darum gegangen sei, durch Registrierung des Domain-Namens "shell.de" mit der Klägerin ins Geschäft zu kommen. Da die Klägerin gegen den Dritten ohne weiteres hätte vorgehen können, hafte der Registrierung ein Makel an, den auch der Beklagte gegen sich gelten lassen müsse.

Die vom Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung führe nicht zu einer Erledigung des Rechtsstreits. Denn es bleibe dabei, daß der Beklagte auch weiterhin unter dem Domain-Namen "shell.de" erreichbar sei und Dritte über "shell.de" in geschäftlichen Kontakt zu ihm treten könnten. Im übrigen ändere die Unterlassungserklärung auch nichts daran, daß die Klägerin weiterhin gehindert sei, "shell.de" für sich registrieren zu lassen und im Internet zu verwenden.

Das Berufungsgericht hat ferner einen Anspruch der Klägerin auf Überschreibung des Domain-Namens bejaht. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung sei es sinnvoll, auf vergleichbare Fälle zurückzugreifen, so etwa auf die patentrechtliche Vindikation (§ 8 Satz 2 PatG) oder auf den Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB. So wie der Grundbuchstand im Falle des § 894 BGB nicht mit der Rechtslage im Einklang stehe, verhalte es sich mit der Registrierung des Domain-Namens zugunsten des Beklagten.

II. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand. Nach der Unterwerfungserklärung des Beklagten kann die Klägerin nicht mehr verlangen, daß der Beklagte die Verwendung der Internet-Adresse "shell.de" im geschäftlichen Verkehr unterläßt (1.). Dagegen hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend auch in der privaten Verwendung dieser Adresse eine Verletzung des Namensrechts der Klägerin gesehen (2.). Auch die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht (3.). Schließlich besteht kein Anspruch der Klägerin auf Umschreibung des Domain-Namens auf sie; sie kann lediglich beanspruchen, daß der Beklagte gegenüber der DENIC auf den streitigen Domain-Namen verzichtet (4.).

1. Zum Unterlassungsantrag hinsichtlich der Verwendung des Domain-Namens im geschäftlichen Verkehr:

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, soweit dem Beklagten die Verwendung von "shell.de" im geschäftlichen Verkehr untersagt worden ist.

a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus § 12 BGB auch insoweit bejaht, als es um eine Verwendung des fraglichen Domain-Namens im geschäftlichen Verkehr geht. Dies begegnet Bedenken.

Mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 ist an die Stelle verschiedener kennzeichenrechtlicher Regelungen, die früher im Warenzeichengesetz oder im UWG enthalten waren oder den Generalklauseln der §§ 1 und 3 UWG oder des § 823 BGB entnommen wurden, eine umfassende, in sich geschlossene kennzeichenrechtliche Regelung getreten, die im allgemeinen den aus den Generalklauseln hergeleiteten Schutz verdrängt. Wie der Senat bereits für die bekannte Marke (BGHZ 138, 349 , 351 f. - MAC Dog; BGH, Urt. v. 14.1.1999 - I ZR 149/96, GRUR 1999, 992, 995 = WRP 1999, 931 - BIG PACK; Urt. v. 29.4.1999 - I ZR 152/96, GRUR 2000, 70, 73 = WRP 1999, 1279 - SZENE; Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 110/97, GRUR 2000, 608, 610 = WRP 2000, 529 - ARD-1; BGHZ 147, 56, 60 f. - Tagesschau; BGH, Urt. v. 26.4.2001 - I ZR 212/98, GRUR 2002, 167, 171 = WRP 2001, 1320 - Bit/Bud) sowie für geographische Herkunftsbezeichnungen (BGHZ 139, 138, 139 f. - Warsteiner II; BGH, Urt. v. 10.8.2000 - I ZR 126/98, GRUR 2001, 73, 76 = WRP 2000, 1284 - Stich den Buben; Urt. v. 19.9.2001 - I ZR 54/96, GRUR 2002, 160, 161 = WRP 2001, 1450 - Warsteiner III) entschieden hat, ist in dem Anwendungsbereich der jeweiligen Bestimmungen des Markengesetzes für die gleichzeitige Anwendung der §§ 1 und 3 UWG oder des § 823 BGB grundsätzlich kein Raum. Nicht anders verhält es sich mit dem nunmehr in §§ 5, 15 MarkenG geregelten Schutz des Unternehmenskennzeichens. Dieser zeichenrechtliche Schutz geht in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich dem Namensschutz des § 12 BGB vor (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.1998 - I ZR 241/95, GRUR 1998, 696, 697 = WRP 1998, 604 - Rolex-Uhr mit Diamanten; eingehend Goldmann, Schutz des Unternehmenskennzeichens, § 16 Rdn. 28 ff.; Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 5 Rdn. 7; Schwerdtner in MünchKomm.BGB, 4. Aufl., § 12 Rdn. 56; a.A. Fezer, MarkenR, 3. Aufl., § 2 MarkenG Rdn. 4; § 15 MarkenG Rdn. 21 f.; vgl. hierzu auch Teplitzky in Großkomm.UWG, § 16 Rdn. 18 ff.; Bettinger, GRUR Int. 1997, 402, 416 Fn. 86a; ders., CR 1998, 243).

b) Ob die Klägerin sich hinsichtlich einer Verwendung des Domain-Namens "shell.de" im geschäftlichen Verkehr auf ihre - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - überragend bekannte Wortmarke und Unternehmenskennzeichnung "Shell" stützen kann (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG), kann hier offenbleiben (vgl. dazu unten unter II.3.a). Denn aufgrund der vom Beklagten abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung fehlt es - wie die Revision mit Erfolg rügt - an dem für den Unterlassungsanspruch stets vorauszusetzenden Merkmal der Begehungsgefahr, hier in der Form der Wiederholungsgefahr (BGH, Urt. v. 9.11.1995 - I ZR 212/93, GRUR 1996, 290, 291 = WRP 1996, 199 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I; Beschl. v. 16.11.1995 - I ZR 229/93, GRUR 1997, 379, 380 = WRP 1996, 284 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Urt. v. 10.7.1997 - I ZR 62/95, GRUR 1998, 483, 485 = WRP 1998, 296 - Der M.-Markt packt aus; Urt. v. 26.10.2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum; Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 82/99, GRUR 2002, 180 f. = WRP 2001, 1179 - Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf). Dagegen kann nicht mit dem Berufungsgericht eingewandt werden, die Beibehaltung der Internet-Adresse für eine private Homepage des Beklagten und seiner Familie erlaube es Dritten, mit dem Beklagten auch in geschäftlichen Dingen Kontakt aufzunehmen. Diese Erwägung berücksichtigt nicht hinreichend, daß es für das Handeln im geschäftlichen Verkehr auf die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden ankommt. Dient das Verhalten nicht der Förderung der eigenen oder einer fremden erwerbswirtschaftlichen oder sonstigen beruflichen Tätigkeit, scheidet ein Handeln im geschäftlichen Verkehr aus (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., UWG Einl. Rdn. 208). Das Verhalten ist dann ausschließlich dem privaten Bereich außerhalb von Erwerb und Berufsausübung zuzurechnen.

2. Zum Unterlassungsantrag hinsichtlich der Verwendung des Domain-Namens außerhalb des geschäftlichen Verkehrs:

Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht dem Beklagten die Verwendung des Domain-Namens "shell.de" außerhalb des geschäftlichen Verkehrs untersagt hat. Der Klägerin steht insofern ein Anspruch auf Unterlassung aus § 12 BGB zu.

a) Auch wenn ein namensrechtlicher Schutz von Unternehmenskennzeichen aus § 12 BGB im geschäftlichen Bereich im Hinblick auf die speziellen Bestimmungen des Markengesetzes im allgemeinen nicht in Betracht kommt, kann gegenüber einem Handeln im privaten Verkehr - also außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 5, 15 MarkenG - die Anwendbarkeit des § 12 BGB oder des § 823 Abs. 1 BGB nicht von vornherein ausgeschlossen werden (vgl. zu § 12 BGB BGH GRUR 1998, 696, 697 - Rolex-Uhr mit Diamanten).

Allerdings werden die Voraussetzungen des § 12 BGB bei einer Verwendung des Namens außerhalb des geschäftlichen Verkehrs häufig nicht vorliegen. Zwar ist nach § 12 BGB auch die Firma oder ein unterscheidungskräftiger Firmenbestandteil einer Gesellschaft oder eines einzelkaufmännischen Unternehmens geschützt (zum Firmenbestandteil BGHZ 24, 238, 240 f. - Tabu I; Teplitzky aaO § 16 Rdn. 15). Der aus § 12 BGB abgeleitete namensrechtliche Schutz einer Firma oder eines Firmenbestandteils ist jedoch stets auf den Funktionsbereich des betreffenden Unternehmens beschränkt und reicht nur so weit, wie geschäftliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.1975 - I ZR 128/74, GRUR 1976, 379, 380 f. = WRP 1976, 102 - KSB; GRUR 1998, 696, 697 - Rolex-Uhr mit Diamanten; Schwerdtner aaO § 12 Rdn. 246). Diese Voraussetzung ist bei einer Benutzung des Namens eines Unternehmens durch einen Dritten außerhalb des geschäftlichen Verkehrs im allgemeinen nicht gegeben.

b) Im Streitfall wird jedoch auch durch die private Nutzung der Bezeichnung "Shell" als Domain-Name in das Namensrecht der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft eingegriffen.

aa) Läßt ein nichtberechtigter Dritter dieses Kennzeichen als Domain-Namen registrieren, werden die schutzwürdigen Interessen des Kennzeicheninhabers massiv beeinträchtigt, weil die mit dieser Bezeichnung gebildete Internet-Adresse mit der Top-Level-Domain ".de" nur einmal vergeben werden kann. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein erheblicher Teil des Publikums Informationen im Internet in der Weise sucht, daß in die Adreßzeile der Name des gesuchten Unternehmens als Internet-Adresse ("www.shell.de") eingegeben wird (vgl. zur Suchgewohnheit bei Gattungsbegriffen BGHZ 148, 1, 6 - Mitwohnzentrale.de). Selbst wenn eine Registrierung des fremden Kennzeichens als Domain-Namen nur zu privaten Zwecken erfolgt, wird daher der Berechtigte von einer entsprechenden eigenen Nutzung seines Zeichens ausgeschlossen. Ihm wird die Möglichkeit genommen, dem interessierten Internet-Nutzer auf einfache Weise Information über das Unternehmen zu verschaffen.

bb) Verwendet ein Nichtberechtigter ein fremdes Kennzeichen als Domain-Namen, liegt darin eine Namensanmaßung (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1998, 909, 910 - Krupp; OLG Köln CR 2000, 696 - maxem.de; GRUR 2000, 798, 799 - alsdorf.de; NJW-RR 1999, 622, 623 - herzogenrath.de; OLG Brandenburg K&R 2000, 496, 497 - luckau.de), nicht dagegen eine Namensleugnung (so aber OLG Düsseldorf WRP 1999, 343, 346 - ufa.de; kritisch dazu Viefhues, NJW 2000, 3239, 3240). Denn eine - stets rechtswidrige - Namensleugnung würde voraussetzen, daß das Recht des Namensträgers zur Führung seines Namens bestritten wird (Schwerdtner aaO § 12 Rdn. 167 u. 170; Weick/Habermann in Staudinger, BGB [1995], § 12 Rdn. 248). Auch wenn jeder Domain-Name aus technischen Gründen nur einmal vergeben werden kann, fehlt es bei der Registrierung als Domain-Name an einem solchen Bestreiten.

Anders als die Namensleugnung ist die Namensanmaßung an weitere Voraussetzungen gebunden. Sie liegt nur vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung auslöst und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt (vgl. BGHZ 119, 237, 245 - Universitätsemblem, m.w.N.). Im Falle der Verwendung eines fremden Namens als Internet-Adresse liegen diese Voraussetzungen im allgemeinen vor. Ein solcher Gebrauch des fremden Namens führt im allgemeinen zu einer Zuordnungsverwirrung, und zwar auch dann, wenn der Internet-Nutzer beim Betrachten der geöffneten Homepage alsbald bemerkt, daß er nicht auf der Internet-Seite des Namensträgers gelandet ist (vgl. Schwerdtner aaO § 12 Rdn. 201 f.; Kur in Loewenheim/Koch, [Hrsg.], Praxis des Online-Rechts, 1998, S. 362). Ein - zu einer Identitätsverwirrung führender - unbefugter Namensgebrauch ist im übrigen bereits dann zu bejahen, wenn der Nichtberechtigte den Domain-Namen bislang nur hat registrieren lassen (Schwerdtner aaO § 12 Rdn. 202; zweifelnd Bücking, Namens- und Kennzeichenrecht im Internet [Domainrecht], 1999, Rdn. 114 u. 118). Denn die den Berechtigten ausschließende Wirkung setzt bei der Verwendung eines Namens als Internet-Adresse bereits mit der Registrierung ein.

c) Der Streitfall zeichnet sich allerdings dadurch aus, daß der Beklagte selbst Namensträger ist und sein Gebrauch des Namens "Shell" daher grundsätzlich nicht als unbefugt angesehen werden kann. Gleichwohl stößt die Verwendung des eigenen Namens durch den Beklagten im Streitfall an Grenzen. Die in Fällen der Gleichnamigkeit vorzunehmende Abwägung der Interessen der Namensträger führt dazu, daß der Beklagte seinen Namen nur mit einem unterscheidenden Zusatz als Internet-Adresse verwenden darf.

aa) Mit Recht hebt die Revision allerdings hervor, daß an sich niemandem verwehrt werden kann, sich in redlicher Weise im Geschäftsleben unter seinem bürgerlichen Namen zu betätigen (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1965 - Ib ZR 101/63, GRUR 1966, 623, 625 = WRP 1966, 30 - Kupferberg; Urt. v. 22.11.1984 - I ZR 101/82, GRUR 1985, 389, 390 = WRP 1985, 210 - Familienname; BGHZ 130, 134, 148 - Altenburger Spielkartenfabrik), und daß dies erst recht im nichtgeschäftlichen Bereich gilt. Doch auch dieser Grundsatz unterliegt Einschränkungen. Wird durch den Gebrauch des Namens die Gefahr der Verwechslung mit einem anderen Namensträger hervorgerufen, kann ausnahmsweise auch im privaten Verkehr die Pflicht bestehen, den Namen nur in einer Art und Weise zu verwenden, daß diese Gefahr nach Möglichkeit ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 29, 256, 263 f. - ten Doornkaat Koolman; Schwerdtner aaO § 12 Rdn. 229). Ein derartiges Gebot zur Rücksichtnahme trifft den Namensträger jedoch nur, wenn sein Interesse an der uneingeschränkten Verwendung seines Namens gegenüber dem Interesse des Gleichnamigen, eine Verwechslung der beiden Namensträger zu vermeiden, klar zurücktritt.

bb) Kommen mehrere Personen als berechtigte Namensträger für einen Domain-Namen in Betracht, gilt für sie hinsichtlich der Registrierung ihres Namens als Internet-Adresse grundsätzlich das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität (vgl. BGHZ 148, 1, 10 - Mitwohnzentrale.de). Ihm muß sich grundsätzlich auch der Inhaber eines relativ stärkeren Rechts unterwerfen, der feststellt, daß sein Name oder sonstiges Kennzeichen bereits von einem Gleichnamigen als Domain-Name registriert worden ist (vgl. LG Paderborn MMR 2000, 49). Denn im Hinblick auf die Fülle von möglichen Konfliktfällen muß es im allgemeinen mit einer einfach zu handhabenden Grundregel, der Priorität der Registrierung, sein Bewenden haben.

Dem Beklagten kann im Streitfall nicht entgegengehalten werden, daß er sich den streitigen Domain-Namen von einem nichtberechtigten Dritten (ISB) hat übertragen lassen. Einem solchen Domain-Namen haftet - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - kein Makel an, der auch dann noch nachwirkt, wenn ein berechtigter Namensträger Inhaber der fraglichen Registrierung geworden ist. Hätte die Klägerin den Domain-Namen "shell.de" von ISB erworben, wäre ihre Inhaberschaft genausowenig durch einen Makel belastet wie im Falle des Erwerbs durch den Beklagten.